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Die Welt auf dem Kopf

Die Welt auf dem Kopf

Titel: Die Welt auf dem Kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Agus
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wird man aus seinen Antworten schlau, wenn sie ihn nach dem Sohn fragen.
    Als ich einmal nach oben ging, um mich um die Blumenzu kümmern, traf ich Mr. Johnson an. Ich deutete auf eines der Fotos und fragte: »Ist das Ihr Sohn?«
    »Nein. Das ist mein Enkel!«, antwortete Mr. Johnson lächelnd, dann nahm er die gerahmte Fotografie und reichte sie mir, damit ich sie mir näher ansehen konnte.
    »Ist er ebenfalls Amerikaner?«
    »Ja. Aber er lebt jetzt in Mailand bei meinem Sohn.«
    »Und seine Mutter?«
    »Die kenne ich nicht.«
    »Auch Amerikanerin?«
    »Sie lebt in Amerika. Aber ich weiß nicht, ob sie Amerikanerin ist.«
    »Und sie kommen nie nach Cagliari?«
    »Doch, nun, da feststeht, dass meine Frau nicht mehr zurückkehrt, werden sie hierherziehen!«
    »Haben sich Ihre Frau und Ihr Sohn nicht vertragen?«
    »Mein Sohn verträgt sich mit allen gut.«
    »Und was arbeitet Ihr Sohn?«
    »In New York hat er Italienisch unterrichtet, dann Englisch in Paris, dann Französisch in Mailand, und jetzt wird er hier unterrichten.«
    »Englisch? Oder Französisch?«
    »Ich habe ihn nicht gefragt.«
    »Dann ist er wohl sehr gut in Sprachen?«
    »Ja, er ist ja auch viel herumgekommen!«
    Da ich nicht zu aufdringlich sein wollte, ließ ich es dabei bewenden, zumal Mr. Johnson meine Fragen ganz genaunahm und seine Antworten entsprechend knapp ausfielen.
    Natascha macht sich jetzt noch mehr Sorgen. »Dann wird es oben doppelt so viel Arbeit geben, und meine Mutter wird trotzdem nicht mehr Geld verlangen. Außerdem besteht die Gefahr, dass sie sich verliebt, verstehst du? Bei jedem Mann, der ihr über den Weg läuft, glaubt sie, es ist ihr Märchenprinz, der sie, oder besser gesagt uns – denn ihre Märchen schließen ja auch mich ein –, hier heraus- und zu sich in seine große, helle Wohnung holt. Dabei ist jedes Mal sie diejenige, die draufzahlt. Bisher war es noch bei jedem ihrer Liebhaber so, dass sie an einem gewissen Punkt anfing, Tüten voller Einkäufe anzuschleppen oder ihnen Hemden, Unterhosen und Socken zu kaufen. Und die zwei Schlimmsten waren ausgerechnet Künstler, ein Maler und ein Koch, um genau zu sein. Dem Maler hat sie die ganzen Utensilien gekauft, Farben, Pinsel, Leinwände. Er malte grässliche Bilder, meiner Mutter hat er jedoch völlig den Kopf verdreht. Sowohl der Maler als auch der Koch waren arme Schlucker, aber in ihren Augen waren ihre Wohnungen natürlich viel schöner als unsere, und sie träumte davon, mit mir dort einzuziehen. In Wirklichkeit hat der Koch direkt hinter dem Restaurant gewohnt, und sein Garten war nichts weiter als ein handtuchgroßes Stück Erde mit einem mickrigen Zitronenbäumchen darauf; und der Maler hatte nur eine winzige Terrasse.«
    »Und wie ist es ausgegangen?«
    »Im Fall des Malers war es so, dass meine Mutter, als sie seine Wäsche wusch, einen Lippenstiftfleck auf einer Unterhose bemerkte, und Mama mag sich zwar immer kunterbunt anziehen, aber die Lippen malt sie sich nicht an. Er hat es unumwunden zugegeben. Hat sich gar nicht erst die Mühe gemacht, ihr eine Lüge aufzutischen, zum Beispiel, dass es sich um einen Temperafleck handelt. Arme Mama, zuerst nehmen sie sie aus, dann geben sie ihr einen Tritt in den Hintern. Angefangen bei meinem Vater. Aber glaubst du, dass sie ihnen deswegen böse wäre? Im Gegenteil, sie verteidigt sie auch noch und nimmt sich sogar der neuen Frauen ihrer Ex-Männer an. Der anderen Tochter meines Vaters, also meiner Stiefschwester, hat sie immer etwas zum Geburtstag und zu Weihnachten geschenkt, weil › mischinedda – das arme Ding – doch keine Schuld trifft!‹«, fügt Natascha im Tonfall ihrer Mutter hinzu.
    »Und der Koch? Wieso hast du ihn auch als Künstler bezeichnet?«
    »Weil er sich nicht darauf beschränkte, bekannte Gerichte nachzukochen, sondern neue Rezepte erfand, ausgefallene und ausgezeichnete übrigens. Das weiß ich deswegen, weil Mama immer Reste mit nach Hause gebracht hat. Einmal wollte ich sie im Restaurant überraschen, aber sie war nicht da. Schließlich habe ich sie von Weitem in ihren ausgelatschten Schuhen angeschlurft kommen sehen, außer Atem und in jeder Hand eine volle Einkaufstüte. ›Du hast mir doch gesagt, dass du im Restaurant bedienst‹,hab ich zu ihr gesagt und ihr die Tüten abgenommen – ich musste mich zusammenreißen, um sie nicht anzuschreien. ›Nur heute, mein Kind, ausnahmsweise. Glaubst du, er würde mir die schweren Einkäufe zumuten, wo er doch weiß, dass ich ein krankes Herz

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