Die Welt der Kelten
teils sorgloser,teils
zuerst unverständiger Umgang mit den Toten, wie er sich auch in den Heiligtümern Nordfrankreichs nachweisen ließ. Denn bis
heute weiß man zwar viel über die Beisetzungen der Häuptlingsschicht, während oft noch unklar ist, was mit denVerstorbenen
der Masse der Bevölkerung geschah. Jedenfalls fand man menschliche Knochen sogar in Abfallgruben. Ebenso seltsam wirkt die
andernorts beschriebene Sitte, Tote gewissermaßen zwischenzulagern und dann ihre Gebeine fein säuberlich nachArten zu ordnen.Über
die dahinter stehenden religiösenVorstellungen kann wegen des Fehlens sonstiger Quellen nur spekuliert werden. Aber wie sollte
der Kommentar eines Griechen oder Römers von Nutzen sein, dem derartige Sitten der Kelten ebenso unverständlich blieben wie
den Archäologen der Gegenwart.
|173| Herkunft und Wesen der Druiden
Die Priester der Kelten entpuppen sich als mehrgestaltig und nur schwer greifbar. Denn einerseits gibt es keinen Zweifel an
ihrer Existenz und ihrem mächtigen Einfluss – aber andererseits gibt es keine archäologischen Spuren, die mit absoluter Gewissheit
auf die Druiden weisen. Am ehesten glaubt man ihnen Diademe und Kopfschmuck aus Bronzeblech sowie Lanzen und Szepter als Symbole
ihres Amtes zusprechen zu können. Der Fund einer Opferstätte an einem See auf der Insel Anglesey gilt als Beleg druidischer
Opfer, zu denen Schwerter, Speere, Schilde und ganze Streitwagen gehörten. Die Insel war, wie erwähnt, unter dem antiken Namen
Mona ein berühmtes Druidenzentrum der Britischen Inseln, dessen Eroberung durch die römischen Truppen Tacitus anschaulich
geschildert hat.
|174| Überhaupt sahen die antiken Geschichtsschreiber die keltischen Priester als barbarische Vollstrecker blutiger Rituale an,
aber auch als weise Gelehrte, die sie mit den griechischen Philosophen verglichen. In Athen und Alexandria behauptete man
sogar, philosophische Studien seien zuerst von den Barbaren betrieben worden. Dazu wurden neben persischen und babylonischen
Magiern sowie den weisen Männern Indiens auch die gallischen Druiden gezählt. Diese Auffassung findet eine gewisse Bestätigung
bei Marcus Tullius Cicero, der als Zeitgenosse Caesars einer der führenden römischen Politiker und Intellektuellen war. Als
sich der schon des Öfteren genannte Haeduerfürst und Druide Diviciacus im Jahr 61 vor Chr. in Rom aufhielt, stattete er auch
dem einflussreichen Cicero einen Besuch ab. Dabei ging es anscheinend nicht nur um die gallischen Stammesquerelen, sondern
ebenso um philosophische Fragen. Denn der Römer schreibt, Diviciacus habe ihm erklärt, dass ihm die Erforschung der Natur
der Dinge, von den Griechen Physiologa genannt, bekannt sei. Auch behauptete er, die Zukunft vorauszusehen, sei es durch Vorzeichen,
sei es, dass er sie erahne.
Manchen griechischen und römischen Gelehrten erinnerten die Druiden an die ursprünglich in Süditalien beheimatete Philosophenschule
des Pythagoras. Auch deren Angehörige umgaben sich mit dem Schleier des Geheimnisvollen und glaubten an eine Seelenwanderung
nach dem Tod. Zudem zogen die so genannten Pythagoräer weit herum und gewannen in Teilen der Mittelmeerwelt viele Anhänger.
In der griechischen Kolonie Massalia und in ihrer Nachbarschaft hätte schon um 500 vor Chr. die Möglichkeit bestanden, Vertretern
der keltischen Oberschicht die Lehren aus dem Süden zu vermitteln.
Aber in den Druiden nur Ableger einer griechischen Philosophenschule zu sehen, scheint ihnen nicht gerecht zu werden – genauso
wenig wie das Klischee der Misteln erntenden Naturpriester. Gleichwohl bildete beides einzelne Facetten des bunten Bildes,
das von ihnen überliefert wird. Wie in der gesamten keltischen Kultur traf sich in ihrem Amt Altes mit Neuem und Fremdes mit
Eigenem. Die Druiden sahen sich in einer langen Tradition stehend, die in Einzelheiten vielleicht sogar auf fernes vorgeschichtliches
Schamanenwissen zurückzuführen war. Sie kannten ohne Zweifel viele Geheimnisse der natürlichen Mächte. Darin mögen sie die
Nachfahren der frühkeltischen Herrscher von Hochdorf oder Vix gewesen sein, die nicht nur als Fürsten, sondern auch als Priesterkönige
angesehen wurden. Nach der Entmachtung dieser Häuptlingsschicht könnten die Druiden deren Wissen und die religiösen Aufgaben
übernommen haben. Auch sie waren weltoffen und nahmen Einflüsse der südlichen und östlichen Kulturen auf, etwa der Griechen
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