Die Welt der Kelten
auftaucht.
Dementsprechend sitzen auch in den Erzählungen um CúChulainn, Irlands berühmteste Heldenfigur, die Köpfe der Krieger stets
locker. Um dies zu veranschaulichen, sei die Episode von Etarcumul wiedergegeben, einem fröhlichen und übermütigen Jüngling:
Gemeinsam mit CúChulainns Pflegevater Fergus sucht er dessen kampfstarken Pflegesohn auf, der zwar erst wenige Lebensjahre
zählt, den aber seine Wutanfälle zu einem gefürchteten Gegner machen. Darum ist es unvermeidlich, dass sich der junge Held
von Etarcumuls herausfordernden Blicken provoziert fühlt. Allein die Begleitung des Fergus gewährleiste ihm Sicherheit. »Sonst,
ich schwöre bei meinen Göttern, die ich anbete, wenn es nicht wegen Fergus’ Ehre wäre, würden nur deine zerkleinerten Knochen
und deine zerstückelten Glieder wieder in das Lager zurückkommen!« Doch Etarcumul will keine Schonung, sondern sucht hitzköpfig
den Kampf. Daraufhin verabreden sich die beiden am nächsten Tag zum Zweikampf. Als der Herausforderer seinen – typisch keltischen
– Streitwagen besteigt, reizt ihn sein Wagenlenker, den Kampf sofort zu suchen.
Dies lässt sich der jugendliche Krieger nicht zweimal sagen: »Lenk uns den Wagen wieder zurück, Bursche, denn ich schwöre
bei den Göttern, die |177| ich anbete, nimmermehr werde ich zurückkehren, bis ich nicht den Kopf jenes jungen Wilden zur Schau stellend mit mir bringe,
den Kopf Cú-Chulainns!« An einer Furt kommt es zum Kampf, in dem sich Etarcumul als der bei weitem Schwächere erweist und
von seinem Gegner geradezu der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Doch CúChulainn schont sein Leben, bis sich Etarcumul weigert,
den Kampf aufzugeben: »Ich werde nicht gehen, wir wollen weiter miteinander kämpfen, bis ich deinen Kopf und den Sieg über
dich und den Ruhm über dich davontrage, oder bis du meinen Kopf und den Sieg über mich und den Ruhm über mich davonträgst!«
Da versetzt ihm CúChulainn einen gewaltigen Hieb quer durch den Kopf bis zum Nabel und durchtrennt seinen Körper mit einem
zweiten Querhieb, »sodass auf ein Mal seine drei geteilten Stücke auf die Erde fielen«. Auf diese Weise starb Etarcumul; dass
sein Schädel zweigeteilt wurde, muss der dichterischen Ausschmückung zugeschrieben werden.
Eine andere Erzählung bietet ein Beispiel dafür, wie unter den irischen Geschichtenerzählern des Mittelalters sogar das Thema
der Konservierung bekannt war. In der Dichtung vom Tod Conchobars, des Königs von Ulster, wird der folgende bizarre Brauch
geschildert: »Zu jener Zeit war es bei den Männern von Ulster Sitte, jedem Helden, den sie im Zweikampf getötet hatten, das
Gehirn herauszunehmen, es mit Kalk zu mischen und harte Bälle daraus zu formen. Wenn sie dann über ihre Kriegstaten stritten,
wurden ihnen die Bälle in die Hand gegeben.« Ein derartiges Heldengehirn stiehlt Cet mac Mágach, der zu den mit Ulster verfeindeten
Connachtern zählt. Als es zwischen beiden Reichen zur Schlacht kommt, legt er die steinharte Kugel in seine Schleuder und
schießt sie auf Conchobar. Sie dringt in dessen Kopf ein und bleibt darin stecken. Sieben Jahre lebt der König von Ulster
mit dem Gehirn eines anderen im Schädel. Schließlich geschieht, was er nach ärztlichem Rat stets vermeiden muss: Er erregt
sich und wird derart wütend, dass die fremde Hirnkugel nebst seinem eigenen Gehirn aus dem Kopf springt. Das bringt ihm den
Tod.
Die irisch-keltische Literatur überliefert etliche Geschichten und Episoden dieser Art, die auch den Erzählungen der Waliser
nicht fremd waren. Über sie fanden sie Eingang in die Sagen um König Arthur und die Ritter der Tafelrunde. Noch in dem oben
erwähnten Werk des Sir Thomas Malory bevorzugen es die edlen Kämpfer, ihren Feinden die Köpfe abzuschlagen. Sie stellen eine
ferne Erinnerung an keltische Kriegersitten dar. Kopfjagd und Schädelkult gab es in der Geschichte der Menschheit zu allen
Zeiten und in vielen Kulturen – die Kelten haben diesen Brauch möglicherweise bei den Skythen der östlichen Steppen kennen
gelernt und von ihnen übernommen. Aber nur selten wurde er derart intensiv gepflegt und überliefert wie unter den keltischen
Stämmen des europäischen Festlands und der Britischen Inseln.
|178| »Barbarische Riten, grässliche Opfer und Menschenblut«
Das Heiligtum von Roquepertuse gibt der Forschung seit dem 19.Jahrhundert Rätsel auf. So auch der Porticus und die kopflose
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