Die Welt der Kelten
mögen sich die göttlichen Wesen und ihre
Geschichten von den Ursprüngen der Welt eine feste Fixierung verboten haben. Ihre Niederschrift war tabu, damit das Heilige
nicht seine ihm innewohnende Kraft verlor. Darum behielt auch die Sprache ihre magische Kraft und wurde zum alleinigen Medium
der Mythen und des Wissens über Kosmos und Welt. Die Druiden sahen sich als die Pfleger und Wächter dieses Wissens, das ihre
Macht begründete und sicherte.
»So ist der Tod die Mitte eines langen Lebens«– Druiden und Seelenwanderung
Nach den Berichten antiker Autoren gehörte zum Wissen der Druiden die Lehre von einer Seelenwanderung und Wiedergeburt, für
die der Tod nur eine kurze Übergangsstation darstellt. Nach Lucan bleibt der Geist, die |171| Seele, gleich, um in einer neuen Gestalt Platz zu finden. Danach ist der Tod nicht mehr als »die Mitte eines langen Lebens«.
Andere Zeugnisse sprechen von dem keltischen Brauch, bei der Verbrennung von Toten Briefe auf den Scheiterhaufen zu werfen,
die an verstorbene Verwandte gerichtet seien. Dahinter stehe die Annahme, die Toten könnten in einer anderen Welt und als
Wiedergeborene solche Post empfangen. Diese Verwendung der Schrift scheint demnach erlaubt gewesen zu sein. Wieder andere
Quellen behaupten, dass man wegen der Unsterblichkeit der Seele die Rückzahlung von Krediten und alle Arten von Geldgeschäften
auf das nächste Leben verschieben könne. Dagegen betont Caesar den kriegerischen Aspekt dieses Glaubens: »Der Kernpunkt ihrer
Lehre ist, dass die Seele nach dem Tod nicht untergehe, sondern von einem Körper in den anderen wandere. Da so die Angst vor
dem Tod bedeutungslos wird, spornt das ihrer Meinung nach die Tapferkeit ganz besonders an.«
Während so mancher Geschichtsschreiber der Mittelmeerwelt verwundert dergleichen Anekdoten erzählte, schwiegen sich die Druiden
natürlich darüber aus. Zwar scheinen sie wie alle Kelten an die Unsterblichkeit der Seele geglaubt zu haben, aber die genaueren
Vorstellungen dieser Lehre sind unbekannt. Schon die Zeitgenossen des Fürsten von Hochdorf, der um 550 vor Chr. starb, bereiteten
ihrem Herrn die oben beschriebene prächtige Grabkammer, die er offensichtlich als neue Wohnstätte nutzen sollte. Kritische
Fragen nach dem Nutzen solcher prächtigen Beigaben, wo der Tote doch sowieso in der Welt wiedergeboren würde, dürften zu stark |172| der modernen Logik verpflichtet sein. Die gläubigen Kelten sahen die Grabkammer möglicherweise als luxuriöse Zwischenstation
an. Andere Bestattungsbräuche wie die Totenverbrennung stehen dagegen auch logischen Erklärungen nicht im Weg und könnten
sogar von den Druiden gefördert worden sein.
Anschauliche Darstellungen, wie man sich die Wanderung einer Seele und ihre Wiedergeburt vorgestellt haben könnte, bieten
erst irische Erzählungen, die mehr als 1000 Jahre nach der Eroberung Galliens entstanden sind. Sie wortwörtlich mit der Lehre
der Druiden gleichzusetzen wäre vermessen, denn das Christentum und viele Märchenmotive haben im frühen Mittelalter auch in
irischen Geschichten deutliche Züge hinterlassen. Dennoch vermitteln diese Texte einen fantasiereichen Eindruck ferner Erinnerung,
woran die Druiden geglaubt haben könnten.
In der Erzählung von Túan mac Cairill – Túan, dem Sohn Cairills – gibt der Held als »alter ehrwürdiger Gottesmann« seine Lebensgeschichte
wieder, die sich über viele Jahrhunderte hinzog. Sie handelt von den zahlreichen Einwanderungen, die Irland im Mittelalter
angedichtet wurden. Eine von ihnen überlebte Túan als Einziger seines Geschlechts. Lange irrte er in dem öden und menschenleeren
Land umher, von Hügel zu Hügel, von Klippe zu Klippe und stets wachsam vor den Wölfen. Im Lauf der Jahre wurde aus dem Mann
ein dürrer Greis, dem die Kraft zum Umherziehen fehlte und der sich in der Wildnis auf Felsen und in Höhlen einen Unterschlupf
suchte.
|173| Als neue Siedler an der Küste landeten, versteckte er sich aus Furcht vor ihnen. Aber eines Nachts erblickte er im Schlaf
sich selbst, wie er die Gestalt eines Hirsches annahm. Wieder jung und fröhlich sprach er die Worte: »Ein stolzes Geweih entwächst
meinem Haupt, mit 60 Sprossen zu meiner Verteidigung, zu grauem Hirschfell wird meine Haut, ich werde stark, bin ungeschwächt
vom Alter.« Als Hirsch wurde er das Leittier aller Hirschherden Irlands und zog durch das Land. Dann starben die Einwanderer
aus, Túan
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