Die Welt der Kelten
davon hingen das Gedeihen und die Existenz
der Stammesgemeinschaft ab. Die Druiden allein verfügten über das komplizierte Wissen. Und sie hatten Kenntnisse von der Anatomie
des Menschen, die bei dessen ritueller Zerstückelung angewandt wurden.
Im Umfeld der großen Kultplätze ist man auf Gräber einzelner Männer gestoßen, in denen man Angehörige der Druidenkaste zu
identifizieren glaubt, weil zu deren Grabbeigaben Äxte und große Messer gehörten, mit denen Tier- und Menschenopfer durchgeführt
wurden. Kleine Bronzepfannen dienten der rituellen Reinigung und wurden mit Scheren und anderen Werkzeugen ergänzt. Auch die
Kriegerausrüstung hatte man den Toten mitgegeben, wobei allerdings die Schwerter wie üblich unbrauchbar gemacht worden waren.
|186| Wo blieben die Druiden?
Wie oben dargelegt, kam mit Caesars Eroberungsfeldzug in Gallien das Ende der Druiden. Auch wenn der erwähnte Haeduer Diviciacus
als sicherer Verbündeter Roms galt, war die gesamte Priesterkaste den neuen Herren suspekt. Ihr begründetes Misstrauen gegen
deren politische Einflüsse führte letztendlich zu deren Verbot. In den Tempeln, in denen der Imperator, die Stadt Roma oder
der Göttervater Jupiter verehrt wurden, war kein Platz mehr für die Druiden – und ebensowenig in den Umgangstempeln der gallo-römischen
Mischgottheiten. So verschwand der Name der alten gallischen Priester aus den schriftlichen Zeugnissen und tauchte nicht wieder
auf.
Nach einiger Zeit wurden im römischen Gallien Männer und Frauen erwähnt, die verdächtige Ähnlichkeit mit den untergegangenen
Druiden aufwiesen. Zwar führten sie keine verbotenen Menschenopfer durch, was ihnen die römische Obrigkeit immer wieder vorwarf,
und sie hatten zweifelsohne nicht die politische Macht wie unter den freien Stämmen. Allerdings scheinen sie druidische Traditionen
in gesellschaftlichen Nischen weiter gepflegt zu haben, die unverdächtig waren. Ob dazu Hexen und Magier gehörten, sei dahingestellt.
Hinweise deuten darauf, dass die Nachfolger der Druiden als Wahrsager tätig waren und zudem einen Teil der gallischen Intelligenz
bildeten.
Ein Zeugnis dafür bot im 4. Jahrhundert der Grammatikprofessor Decimus Magnus Ausonius, dessen lateinisches Gedicht über die
Mosel noch heute bekannt ist. Er rühmte seinen Großvater mütterlicherseits als einen Mann, der die himmlischen Zahlen und
die schicksalsbestimmenden Gestirne kannte. Aber er habe diese Wissenschaft im Verborgenen ausgeübt. Auch habe er um die Zukunft
seines Enkels gewusst und diese Weissagungen auf versiegelten Täfelchen niedergeschrieben. Angeblich sah sich dieser gelehrte
Mann als Druide an. Außerdem berichtete Ausonius von zwei Professorenkollegen aus Bordeaux, die auf ihre druidische Abstammung
stolz waren. Der eine kam aus der Bretagne, wo er Wächter im Tempel des keltischen Gottes Belenus gewesen sein soll.
Manches deutet also darauf hin, dass in den letzten Jahrhunderten römischer Herrschaft die Tradition der Druiden eine Wiedergeburt
erlebte. Sie führte zur Entdeckung keltischer Wesenszüge, auf die sich viele Gallier besannen. Erst das Vordringen der germanischen
Franken und die erstarkende christliche Religion scheinen all dem ein endgültiges Ende bereitet zu haben.
In dem von den Römern nicht besetzten Irland bewahrten die Druiden erheblich länger ihre alte Bedeutung. Erst mit dem sich
rasch ausbreitenden Christentum verloren die traditionellen keltischen Priester ihren Einfluss |187| – an ihre Stelle traten die Mönche, von denen mancher ein bekehrter Druide war. Die große Fülle der druidischen Aufgaben teilten
die Angehörigen der Bildungsschicht unter sich auf.
In vielen irischen Sagen und Heiligenlegenden treten noch im Mittelalter Druiden auf. Darin sind sie – ähnlich ihren historischen
Vorbildern – Berater, Weissager, Rechtsgelehrte, Zauberer und Erzieher von Fürstensöhnen. Ihr berühmtester Vertreter ist Cathbad,
der weise Ratgeber des Königs Conchobar von Ulster. Die literarischen Druidenfiguren der irischen und walisischen Dichtungen
führten schließlich nicht nur zur Gestaltung Merlins, sondern ebneten auch der Renaissance der keltischen Priester in der
Literatur und in den bildenden Künsten den Weg.
|188| 8. Die Elfen aus der Anderwelt – Dichtung und Sagen der Inselkelten
Die sagenhafte Welt der Britischen Inseln
Im frühen Mittelalter gehörte die Kultur der festlandkeltischen Stämme schon lange
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