Die Welt der Kelten
barbarische Welt vorgedrungen war.
Doch als die Provence erobert und römische Provinz wurde, lag das Heiligtum von Roquepertuse schon lange in Trümmern. Um 200
vor Chr. war es zerstört worden und in Flammen aufgegangen. Wer dies aus welchen Gründen tat, ist nicht bekannt; die antiken
Geschichtsschreiber schweigen sich darüber aus. Die Ereignisse jenseits ihrer Grenzen erweckten noch nicht ihre Neugier –
so nah Marseille auch lag. Der keltischligurische Tempel fiel wahrscheinlich einem der vielen Stammeskämpfe zum Opfer, deren
Krieger nicht einmal vor heiligen Orten Scheu zeigten. Denn sie lebten in einer Welt ständigen Wandels, in der religiöse Gepflogenheiten
nicht unantastbar waren.
Tempel, Haine, heilige Plätze … und Menschenopfer
Die Kelten kannten eine Vielzahl verschiedener Heiligtümer und heiliger Orte, an denen sie die Gottheiten und numinosen Mächte
verehrten und ihnen Opfer darbrachten. Dazu gehörten seit alters her und überall, wo sie siedelten, Höhlen, markante Anhöhen,
Berge, Quellen und Gewässer ebenso wie heilige Haine. Einen solchen Wald bezeichneten sie als
Nemeton
und übertrugen den Namen auf Tempel und deren Bezirke, die aus Holz und Fachwerk bestanden.
An diesen heiligen Plätzen opferten sie wie etwa in La Tène am Neuenburger See alle Arten von Waffen, aber auch ganze Streitwagen,
prächtige Schilde und Schmuck. Eifrig gepflegt wurden darüber hinaus Tieropfer, wozu unter anderem Pferde, Schweine und Hunde
gehörten. Schließlich besteht kein Zweifel daran, dass die Kelten auch Menschenopfer vollzogen, um die Götter gnädig zu stimmen.
Diese Tatsache sowie seltsame, heute schwer zu verstehende Bestattungssitten riefen bei den Römern ungläubiges Kopfschütteln
hervor. Dementsprechend schilderten ihre Autoren die für sie wahrhaft barbarischen Bräuche in geradezu bluttriefenden Bildern.
Gemäß Caesars Ausführungen im
Bellum Gallicum
weihten die gallischen Stämme einem Gott alles, was sie im Krieg zu erbeuten hofften. War der Sieg dann ihrer, opferten sie
ihm alle erbeuteten Lebewesen, während |181| sie das Übrige an einer Stelle zusammentrugen. Deswegen konnte man bei vielen Stämmen Hügel in der Nähe geweihter Orte sehen,
die sie aus diesen Beutestücken errichtet hatten. Es geschah nur selten, dass einer sich gegen die Religion verging und Beute
bei sich versteckte oder aber wagte, Weihegeschenke wegzunehmen, wenn sie schon niedergelegt worden waren. Auf diese Tat stand
als Strafe härteste Folter und Tod.
Wer von schwerer Krankheit befallen war oder sich in Krieg und Gefahr befand, opferte, so fährt Caesar fort, Menschen anstelle
von Opfertieren oder gelobte solche Opfer. Die Druiden führten diese Opfer durch, denn die Gallier glaubten, der Wille der
unsterblichen Götter könne nur besänftigt werden, wenn für das Leben eines Menschen ein anderes eingesetzt würde. Auch in
offiziellen Stammesangelegenheiten pflegten sie Opferbräuche der gleichen Art. Einige Stämme besaßen Opferbilder von ungeheurer
Größe, deren Glieder durch Ruten untereinander verbunden waren, die sie mit lebenden Menschen ausfüllten. Dann wurden laut
Caesar die Götterbilder angezündet, sodass die Menschen in den Flammen umkamen.
Anderen Zeugnissen zufolge wandte man unterschiedliche Opfermethoden an, entsprechend der Gottheit, der der Mensch geweiht
werden sollte. Danach war der Gott Teutates nur zufrieden, wenn ein Mensch kopfüber in einen gefüllten Bottich gesteckt wurde,
sodass er darin erstickte. Für Esus musste das Opfer so lange an einem Baum aufgehängt werden, bis sich seine Glieder in eine
blutige Masse aufgelöst hatten. Dagegen verbrannte man dem Taranis einige Menschen in einem hölzernen Behältnis. Außerdem
schoss man auf bestimmte Opfer mit Pfeilen, man kreuzigte sie in den Tempeln oder errichtete ein riesiges Gebilde aus Stroh
und Holz, stellte allerlei Haus- und Wildtiere sowie Menschen hinein und veranstaltete dann ein Brandopfer. Der bereits erwähnte
Diodor aus Sizilien bemerkt in prägnanter Kürze zu diesem Thema: »Ihre Verbrecher halten sie fünf Jahre lang gefangen, bringen
sie dann auf Pfähle gespießt den Göttern dar und verbrennen sie mit vielen anderen ausgewählten Opfergaben, wofür sie riesige
Scheiterhaufen errichten. Sie schlachten auch ihre Kriegsgefangenen wie Opfertiere zu Ehren der Götter.«
Es überrascht nach dieser Galerie des Schreckens kaum, dass den Bewohnern auf den
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