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Die Welt der Kelten

Die Welt der Kelten

Titel: Die Welt der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf Krause
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der Vergangenheit an, sogar ihre Sprachen
     hatte man vergessen. Mehr oder weniger unabhängige Kelten lebten bekanntlich nur noch am Rande Europas: im Umkreis der Iren,
     Schotten und Waliser auf den Britischen Inseln und unter den Bretonen. Diese Völker bewahrten trotz aller Veränderungen, denen
     auch sie unterworfen waren, Traditionen der alten keltischen Kultur, auf die zum Teil schon verwiesen wurde. Ohne sie wüsste
     man nichts von den zahlreichen Mythen und Sagen, von den Göttern und Heldenkriegern der keltischen Welt, in denen auch der
     Arthur-Stoff seine Wurzeln hat.
    Die Britischen Inseln waren indes dem Festland und erst recht der Mittelmeerwelt fremd geworden, seitdem Rom seine Macht verloren
     und die Germanenstämme der Angeln und Sachsen dort weite Gebiete erobert hatten. Überhaupt wusste man seit jeher wenig über
     die keltischen Gebiete, vor Schottlands Bewohnern hatten sich die römischen Kaiser gar durch den Bau des Hadrianswalls zu
     schützen versucht. Dessen Befestigungsanlagen kannte noch der byzantinische Geschichtsschreiber Prokop, der im 6. Jahrhundert
     Seltsames von Britannien berichtete:
    Nach seinen Worten wird die Insel von dieser langen Mauer in zwei ungleiche Teile getrennt. Im Süden herrscht gute Luft, die
     Menschen leben wie anderswo und die Bäume stehen in voller Pracht, deren Früchte gut reifen; ebenso geben die Felder gute
     Ernte in einem wasserreichen Land. Im Norden hingegen kann ein Mensch kaum leben in einer Gegend, die von Schlangen, Nattern
     und ähnlichem Getier verseucht ist. Die Eingeborenen behaupten, jenseits der Mauer gebe man wegen der verderblichen Luft sofort
     den Geist auf, verirrte Tiere würden dort verenden. Für Prokop existiert in Schottland nicht nur ein völlig ödes, todbringendes
     Land, er sieht die Britischen Inseln insgesamt als Land der Toten an, in das die Seelen der Verstorbenen reisen, was gemäß
     dem oströmischen Historiker auf folgende Weise geschieht:
    An der gegenüberliegenden Küste befinden sich viele Dörfer, deren Bewohner |189| von Fischfang, Ackerbau und Schifffahrten nach Britannien lebten. Jene Leute behaupten, sie müssten die Seelen nach Britannien
     übersetzen. Wer des Nachts diesen Fährdienst leisten muss, legt sich schlafen, bis ihn der Führer des Seelenzuges weckt. Vor
     Mitternacht hören sie es an ihre Haustür klopfen und vernehmen die Stimme eines Unsichtbaren, der sie zur Arbeit ruft. Wie
     unter Zwang und Hypnose stehen sie auf und gehen zum Strand. Dort finden sie fremde Kähne, in denen alles zur Abfahrt bereit
     ist – ohne dass sie allerdings jemanden erblicken. Trotzdem steigen sie hinein und ergreifen die Ruder. Erst dann nehmen sie
     wahr, wie schwer die Schiffe durch die Mitreisenden sind, kaum erhebt sich der Kahn über die Oberfläche; zu sehen ist allerdings
     niemand. In einer Stunde rudern sie nach Britannien, während sie es sonst mit den Segeln kaum in einer Nacht und einem Tag
     schaffen. Nach der Ankunft merken sie, wie sich die Schiffe rasch leeren, und fahren schnell heimwärts. Keinen Menschen haben
     sie auf dieser Fahrt erblickt, glauben aber eine Stimme gehört zu haben, die die am Ufer Angekommenen namentlich aufruft und
     ihren gesellschaftlichen Rang und die Abstammung hinzufügt.
    Prokop gestand das fantastisch Anmutende und Unglaubliche seiner Geschichte ein, die offensichtlich bis zu ihm nach Konstantinopel,
     dem heutigen Istanbul, gedrungen war. Heutzutage erinnert sie an jene Elfen und Feensagen, die sich gerade die Kelten Irlands
     und anderer Gebiete der |190| Britischen Inseln erzählten. Ob eine dieser Geschichten tatsächlich den weiten Weg bis ins östliche Mittelmeer gefunden hat,
     ist ungewiss – trotzdem belegt Prokops Text, dass man sich schon damals Geschichten über den Nordwesten Europas erzählte,
     zu denen besonders die Kelten ein großes Maß beitrugen.
    Denn in dem niemals von Rom besetzten Irland hatten sich alte Überlieferungen erhalten und weiterentwickelt. Obwohl die christlichen
     Priester und Mönche seit dem 5. Jahrhundert die Druiden zunehmend verdrängten, gab es doch noch den alten Dichterstand, der
     sich an den zahlreichen Häuptlingshöfen großer Beliebtheit und Achtung erfreute. Das galt weniger für den rezitierenden Barden
     als für den so genannten Fili, der für seinen Herrn Preislieder dichtete und Macht und Ruhm von dessen Vorfahren besang. Diese
     hoch angesehene Dichterkaste hatte eine – mündliche – Ausbildung von zwölf

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