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Die Welt der Kelten

Die Welt der Kelten

Titel: Die Welt der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf Krause
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Britischen Inseln sogar Kannibalismus nachgesagt
     wurde. Aber diese Schreckensbilder schienen doch überwiegend der Fantasie antiker Geschichtsschreiber zu entspringen, die
     mit den so völlig andersartigen Sitten und Bräuchen der vermeintlichen Barbaren nichts anzufangen wussten. Sie schufen mutmaßlich
     ein Arsenal von Klischees, hinter dem das historisch reale Volk der Kelten kaum noch erkennbar war. Deshalb hoffte man auf
     archäologische Funde, deren Analyse der geschichtlichen Wahrheit gerechter zu werden versprach. Auf ihren Erkenntnissen basieren
     die folgenden Rekonstruktionen.
    |182| Die Wache der kopflosen Krieger
    Im Nordosten des alten Gallien, fast schon im Grenzgebiet zu den Belgern, hatten die einheimischen Stämme mehrere große Heiligtümer
     angelegt. Obwohl sie zur Zeit der römischen Eroberung längst aufgegeben worden waren, hätten sie Reisende und Händler vom
     Mittelmeer auch früher aufsuchen können – wenn man den Fremden einen Besuch überhaupt erlaubte. Die Eindrücke, die man etwa
     in dem
Nemeton
von Ribemont-sur-Ancre gewinnen konnte, waren selbst für einen Römer schwer zu verdauen – von einem modernen Mitteleuropäer
     ganz zu schweigen.
    Man ging auf ein Areal zu, das auf einem Abhang oberhalb eines kleinen sumpfigen Flusses gelegen war. Eine übermannshohe Palisade
     und ein Graben schützten das Innere und verbargen es vor neugierigen Blicken. Den Zutritt gewährte nur ein mächtiges hölzernes
     Eingangsportal, an dessen Galerie und Pfosten man menschliche Totenschädel angebracht hatte. Wenn der Besucher durch dieses
     makabre Spalier hindurchgeschritten war, erblickte er ein System von Einfriedungen, die wiederum aus Palisaden und tiefen
     Gräben bestanden. Dahinter lagen Heiligtümer, Opferplätze und überdachte Bauwerke. Darüber hinaus bot sich einem Fremden ein
     völlig ungewohnter Anblick, den er im dort herrschenden Gestank intensiver Verwesung kaum zu fassen vermochte.
    Denn an den hohen Holzwänden sah man menschliche Überreste, die offensichtlich als Trophäen zur Schau gestellt wurden: einzelne
     Knochen, etwa von Arm und Bein, aber auch vollständige Körperpartien, die aus der unteren oder oberen Körperhälfte bestanden.
     Dass diese Skeletthälften noch mit Waffen versehen waren, erwies sie als Reste keltischer Krieger. An anderen Stellen des
     Heiligtums hatte man menschliche Langknochen mit denen von Pferden genau geordnet und säuberlich zu einem ziemlich gleichmäßigen
     Viereck von 1 Meter Höhe geschichtet. Gleichzeitig sah man Männer, die andere Knochen peinlich genau reinigten, zertrümmerten
     und schließlich verbrannten.
    Woher diese menschlichen Gebeine kamen, zeigte dem Betrachter eine Art Halle, die keine Seitenwände hatte. Dort erblickte
     man in mehreren Metern Höhe ein Podest, das nach allen Seiten geöffnet war. Auf ihm hielten 60 keltische Krieger regelrecht
     Wache – mit ihren vollständigen Ausrüstungen, die Schwerter umgegürtet, die Schilde vor sich und die Speere hoch erhoben.
     Aber alle Kämpfer waren tot und ohne ihren Kopf. Ihre Körper befanden sich im Zustand der Mumifizierung, und viele von ihnen
     hatten schon einzelne Gliedmaßen verloren.
    Allem Anschein nach brachte man gefallene Krieger in das Heiligtum von Ribemont-sur-Ancre, um ihre kopflosen Überreste einem
     langsamen und vollständigen Auflösungsprozess auszusetzen und ihn durch gewisse  |183| Eingriffe sogar zu befördern. Vorher hatte man den Getöteten den Kopf als wertvollste Kriegstrophäe abgetrennt. Die übrigen
     Körper hielten dann im vollen Kriegerornat ihre bizarre Wache, bis die Leichen auf ihrem luftigen Podest austrockneten und
     mumifizierten. Allmählich verfielen sie und wurden schließlich von aller Haut und den Sehnenresten bis auf den blanken Knochen
     befreit. Am Ende stand die bereits erwähnte Verbrennung der Reste.
    So stellt man sich das Gebäude mit den kopflosen Kriegern von Ribemont-sur-Ancre vor. In vielen Teilen der Keltenwelt pflegte
     man zeitweise einen ungewöhnlichen Umgang mit den Toten.Es war üblich, dieToten zu zerstückeln – nicht aus Grausamkeit oder
     mangelnder Ehrfurcht, sondern um bestimmten Ritualen Genüge zu tun.
    Die Leichen mehrerer hundert enthaupteter Krieger waren diesen Weg gegangen. Sie stellten mit ihrer Ausrüstung nebst den Waffen
     eine reiche Opfergabe dar – für eine Gottheit, die man sich wahrscheinlich in der Erde oder in den nahen Sümpfen dachte. Dass
     diese Sitte überall unter

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