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Die Welt der Kelten

Die Welt der Kelten

Titel: Die Welt der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnulf Krause
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einen Ausdruck seiner eigenen Gefühle:
    »Ossian hat in meinem Herzen den Homer verdrängt. Welch eine Welt, in die der Herrliche mich führt! Zu wandern über die Heide,
     umsaust vom Sturmwinde, der in dampfenden Nebeln die Geister der Väter im dämmernden Lichte des Mondes hinführt. Zu hören
     vom Gebirge her, im Gebrülle des Waldstroms, halb verwehtes Ächzen der Geister aus ihren Höhlen, und die Wehklagen des zu
     Tode sich jammernden Mädchens, um die vier moosbedeckten, grasbewachsenen Steine des Edelgefallnen, ihres Geliebten. Wenn
     ich ihn dann finde, den wandelnden grauen Barden, der auf der weiten Heide die Fußstapfen seiner Väter sucht und, ach, ihre
     Grabsteine findet und dann jammernd nach dem lieben Sterne des Abends hinblickt, der sich ins rollende Meer verbirgt, und
     die Zeiten der Vergangenheit in des Helden Seele lebendig werden, da noch der freundliche Strahl den Gefahren der Tapferen
     leuchtete und der Mond ihr bekränztes, siegrückkehrendes Schiff beschien. Wenn ich den tiefen Kummer auf seiner Stirn lese,
     den letzten verlassenen Herrlichen in aller Ermattung dem Grabe zuwanken sehe …« – dann möchte Werther gleich einem edlen
     Waffenträger das Schwert ziehen, seinen Fürsten von der Qual des langsam absterbenden Lebens auf einmal befreien und dem befreiten
     Halbgott |218| seine eigene Seele nachsenden. Als Werther der unglücklich geliebten Lotte die von ihm übersetzten Gesänge Ossians vorliest,
     übermannen ihn seine Gefühle, »ein Schauer überfiel ihn, als er sie in die Hände nahm, und die Augen standen ihm voll Tränen,
     als er hineinsah«. Und während seiner Lesung bricht auch aus Lottes Augen »ein Strom von Tränen«.
    Der junge Goethe war nur einer von unzähligen europäischen Künstlern und Intellektuellen, die von Ossian ergriffen wurden
     und dem Stoff Übersetzungen, Nachdichtungen, Liedvertonungen, Opern und Bilder widmeten. Dass sogar ein politischer Machtmensch
     sich dem Fieber der Begeisterung um den keltischen Barden nicht entziehen konnte, bewies Napoleon, General, Konsul und Kaiser
     der Franzosen: Er schätzte nicht nur Goethes
Werther
über alles, sondern auch die Gesänge Ossians.
    Es tat dem allen keinen Abbruch, als sich im Laufe der Jahrzehnte herausstellte, dass die
Works of Ossian
mitnichten originale Lieder aus dem 3. Jahrhundert waren. James Macpherson – mittlerweile zu Ruhm und Reichtum gelangt – hatte
     sie sehr frei nachgedichtet und dafür auf irische Heldengestalten zurückgegriffen: Aus der populären Sagenfigur des Kriegers
     Finn mac Cumaill und seinem Sohn Oisín machte er Fingal und Ossian, der jugendliche Kämpfer CúChulainn diente dem literarischen
     Heerführer Cuthullin als Vorbild. Um diese Figuren hatte der schottische Lehrer eine Geschichte erdichtet – im Übrigen auf
     Englisch, denn gälische Originale existierten nicht. Erst später übersetzte man die englischen Kunstlieder in die keltische
     Sprache Schottlands.
    Letztlich verzieh die Öffentlichkeit Macpherson seinen Schwindel. Denn er hatte ein Erfolgsrezept entdeckt, von dem er ursprünglich
     selbst nichts ahnte. Er griff auf schottisch-keltische Motive zurück und verband sie mit der oben angesprochenen Stimmung
     einer elegischen Melancholie, die der originalen keltischen Überlieferung fremd war. Damit traf er genau den vorherrschenden
     sentimentalen Zeitgeist, den er schlichtweg auf die 1500 Jahre zurückliegende Vergangenheit projizierte. Seitdem verband man
     die nebelverhangenen Buchten und Berge Schottlands mit den gefühlsbetonten Vorstellungen über die Kelten der Britischen Inseln.
    Walter Scott und die Highland-Romantik
    Macphersons
Works of Ossian
lenkt das Interesse auf das ursprüngliche keltisch-gälische Schottland, dessen Volkslieder und Balladen zusehends gesammelt
     wurden und Nachdichtungen erlebten. Allerdings sorgten im Zeitalter der Romantik vor allem die historischen Romane Sir Walter
     Scotts (1771 –1832) für die weiter wachsende Begeisterung an schottischen |219| Motiven. Der Anwalt aus Edinburgh wurde weit über seine Heimat hinaus ein früher Bestsellerautor, dessen 1820 erschienener
Ivanhoe
die Zeit der Kreuzzüge aufgriff und noch immer bekannt ist.
    Bereits zehn Jahre früher hatte die Verserzählung der
Dame vom See
(
The Lady of the Lake
) der Schottland-Begeisterung einen unerhörten Aufschwung gebracht. In der im 16. Jahrhundert angesiedelten Handlung stehen
     die Auseinandersetzungen zwischen dem schottischen

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