Die Welt der Kelten
im 6. Jahrhundert vor Chr., der Blütezeit des Mont Lassois, häufig reger Verkehr vor den Augen des Keltenfürsten
geherrscht haben. Er war den fremden Männern aus Marseille wohl gesonnen, denn sie garantierten seinen Wohlstand und damit
auch einen guten Teil seiner Macht.
|37| Aber seine Residenz gewann nicht nur an Bedeutung, weil sie das wichtigste Handelszentrum weit und breit war. Nicht nur materielle
Interessen zeichneten den Mont Lassois aus. Denn unterhalb des Berges erhob sich eine Grabanlage, die offensichtlich den Kelten
als ein Heiligtum galt. Den Zugang bewachten zwei lebensgroße Steinfiguren, die eine Frau und einen Krieger mit Schild und
Schwert darstellten. In diesem spirituellen Zentrum, in dem man der fürstlichen Ahnen gedachte, mussten viele Tiere als Opfergaben
ihr Leben lassen.
Griechische Besucher dürften die barbarischen Zeremonien gar nicht oder nur am Rande zur Kenntnis genommen haben. Dafür mussten
sie am Hof des Fürsten mit einer anderen Überraschung rechnen, denn aller Wahrscheinlich nach kannte die Mont-Lassois-Dynastie
auch Herrscherinnen. Zumindest entdeckte man im Umfeld bei Vix ein prächtig ausgestattetes Grab, in dem um das Jahr 500 vor
Chr. eine augenscheinlich wohlhabende und mächtige Frau ihre letzte Ruhe fand.
Wie die Herrscher des Mont Lassois wählten diejenigen der Heuneburg einen Berg zu ihrem Fürstensitz. Der ihre erhebt sich
über dem Tal der oberen Donau, die von hier an schiffbar war. Mehrere Wege kamen an |38| dieser Stelle zusammen: der über die Donau, der Landweg durch den Schwarzwald zum Hochrhein, schließlich die Route Richtung
Süden zu den Alpenpässen, über die man Italien erreichte. Dass die Heuneburger eine mächtige Sippe waren, beweist bis heute
ihr Kranz von Grabhügeln, der den Berg umgibt. Dazu gehört der so genannte Hohmichele, der mit einem Durchmesser von 85 Metern
und einer Höhe von über 13 Metern als einer der größten seiner Art gilt.
Macht und Einfluss zeigten sich überdies in einem nördlich der Alpen einzigartigen Bauwerk. Kurz nach 600 vor Chr. ließ ein
Fürst anstelle der üblichen Befestigung aus Holzpfählen und Erde eine knapp 4 Meter hohe Mauer errichten. Nach griechischem
Vorbild bestand sie aus luftgetrockneten Lehmziegeln und hatte neben zwei Toren mindestens zehn Türme, die wie Bastionen aus
der Mauerfront hervorragten. Wahrscheinlich waren sogar hellenische Handwerker am Bau dieser für Kelten völlig fremdartigen
Befestigung beteiligt. Obwohl das kalt-feuchte Klima den Trockenziegeln schädlich gewesen sein dürfte, hielt das Bauwerk eine
erstaunliche Zeit von 50 Jahren. Die Heuneburger wollten mit dieser Neuheit zweifelsohne nicht nur ein besseres Verteidigungswerk
schaffen, sondern |39| auch auf ihren Reichtum hinweisen. Ziemlich sicher hat der Fürst von Hochdorf das Wunderwerk bestaunt, als er seinen »Kollegen«
im Donautal besuchte.
Die verstorbene Fürstin von Vix bleibt rätselhaft und faszinierend. Auch die obige Rekonstruktion ihrer Bestattung trägt dem
Zauber Rechnung, der von dieser »frühen Druidin« ausgeht.Von hohem Rang zeugen ein prächtiges Golddiadem und das berühmte
Weinmischbehältnis, das größte Gefäß der Antike (vgl. S. 132).
Die zertrümmerten Statuen und die Entstehung einer neuen keltischen Kultur
Die überwiegend friedliche und luxuriöse Welt der hallstattzeitlichen Keltenfürsten fand im 5. Jahrhundert vor Chr. ein endgültiges
Ende, das teilweise mit kriegerischen Auseinandersetzungen verbunden war. Die prächtigen Fürstensitze der Heuneburg und des
Mont Lassois stehen stellvertretend für die Fülle der Geschehnisse, über deren Einzelheiten wegen fehlender schriftlicher
Quellen nichts bekannt ist. Gewiss ist, dass die Heuneburg um das Jahr 480 vor Chr. als Opfer von Kämpfen ein Raub der Flammen
wurde und dass man sie nie wieder aufbaute. Das Herrschaftszentrum auf dem Mont Lassois folgte wenige Jahre später; allerdings
gaben seine Bewohner ihre Siedlung weniger spektakulär sang- und klanglos auf. Selbst das erwähnte Heiligtum zu ihren Füßen
war zwei Jahrzehnte später dem Untergang geweiht. Die unbekannten Vernichter des heiligen Ortes hinterließen deutliche Spuren
ihrer Zerstörungswut: Den am Eingang |40| wachenden Sitzstatuen schlugen sie die Köpfe ab. Da diese wahrscheinlich vergöttlichte Ahnen des alten Herrschergeschlechts
darstellten, ist die Tat ein unübersehbares Zeichen dafür, dass es zu
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