Die Welt der Kelten
Macht verwüstet: »Gleich zu Beginn wurden seine Gattin Boudicca misshandelt und seine Töchter geschändet; alle
vornehmen Ikener wurden, als hätte man das ganze Gebiet zum Geschenk erhalten, von ihren ererbten Gütern vertrieben, und die
Verwandten des Königs behandelte man wie Sklaven. Infolge dieser Schmach und aus Furcht vor noch drückenderen Maßnahmen, da
ihr Land bereits in die Form einer Provinz übergegangen war, griffen sie zu den Waffen.«
Von den Ikenern sprang der Aufstand auf andere Stämme über, die sich zusammenschlossen, um Herrschaft und Ausbeutung der Römer
abzuschütteln. Dabei scheint der Königswitwe Boudicca eine herausragende |131| Rolle zugekommen zu sein. Gemäß Tacitus sprach dafür nicht nur, dass sie aus einer königlichen Familie stammte, sondern auch,
dass bei den Britanniern eine Frau das Heer befehligen konnte.
Besonders verhasst waren den Aufständischen die römischen Veteranen, weil sie zum Beispiel in der Kolonie Camulodunum die
keltischen Einwohner aus ihren Häusern und von den Feldern verjagten und diese wie Kriegsgefangene oder Sklaven behandelten.
Die Soldaten unterstützten die Veteranen noch bei ihrem Tun. Darum richtete sich der Zorn der Menschen vor allem gegen Camulodunum.
Dessen Kaisertempel galt als Zwingburg der Tyrannei, und angeblich vergeudeten seine Priester das ganze Vermögen des Volkes.
Da die Siedlung über keine Befestigung verfügte, schien es den Aufständischen nicht schwierig, gegen sie und die verhassten
Veteranen vorzugehen. Die britannischen Krieger umzingelten die Stadt, die zudem nur von wenigen Soldaten geschützt wurde.
Dann griffen sie an, plünderten die meisten Stadtteile und legten sie in Schutt und Asche. Den Tempel, in dem sich die römischen
Soldaten verschanzten, belagerte man zwei Tage lang und erstürmte ihn schließlich. Anschließend zogen die keltischen Krieger
der 9. Legion entgegen, die unter ihrem Legaten Cerialis eigentlich Entsatz bringen sollte. Aber die Britannier stürmten |132| derart wild auf sie ein, dass niedergemacht wurde, wer nicht sein Heil in der Flucht fand. Der Legat selbst entkam nur mit
Mühe in ein befestigtes Lager.
|131| Die Keltinnen
Die keltische Gesellschaft war patriarchalisch geprägt, denn ihre Führungsschicht hob das männliche Kriegerideal ausdrücklich
hervor. Die Frauen mochten nach dem Bekunden antiker Quellen noch so groß und angeblich den Männern sogar an Stärke gewachsen
sein – rechtlich hatte der Mann die Verfügungsgewalt über Frau und Kinder. Dies betont unter anderem Caesar mit einem drastischen
Beispiel: Demzufolge hätten die Männer gegenüber ihren Frauen ebenso wie gegenüber ihren Kindern Gewalt über Leben undTod.
Wenn das Oberhaupt der Familie aus hohem Stande gestorben sei, versammelten sich seine Verwandten und verhörten die Ehefrauen
wie die Sklaven, falls an demTod etwasVerdacht erregte. Stellte sich der Verdacht als begründet heraus, würden sie die Frauen
verbrennen, nachdem sie sie auf alle mögliche Art gefoltert hätten. Mehr als ein Jahrtausend später bestätigten irische Rechtstexte
die deutliche Benachteiligung der Frau, weil sie vor Gericht kein Zeugengewicht hatte und nicht eigenständigVerträge abschließen
durfte.
Doch scheint dies nur eine Seite der historischen Wahrheit zu sein, die letztendlich nur annäherungsweise aufgeklärt werden
kann. Denn wiederum Galliens Eroberer Caesar weiß von einer bemerkenswerten frühgeschichtlichen Zugewinngemeinschaft zu berichten:
»Die Männer lassen, wenn sie von ihren FrauenVermögen als Mitgift erhalten haben,ihr eigenesVermögen schätzen und legen einen
gleich großen Wert mit der Mitgift zusammen. Über dieses Gesamtvermögen führen sie gemeinsam Buch und sparen den Gewinn; wer
von beiden länger lebt, erhält den |132| beiderseitigen Anteil mit dem Gewinn, der mit der Zeit hinzugekommen ist.« Spätere Quellen erwähnen das Recht der Frau, ihren
Güterbesitz zu vererben, ohne dass ein männlicher Vormund darauf uneingeschränkt Zugriff hätte nehmen können. Zählt man zum
Recht, über sein Eigentum zu verfügen, noch die Nachrichten über eine freie Gattenwahl und eine recht offene Sexualität, so
scheint die Keltin doch zumindest teilweise über relativ große Freiheiten verfügt zu haben.
Archäologische Funde vermitteln sogar das Bild einer Schicht reicher, mächtiger und verehrter Frauen.Dazu gehörte die so genannte
Fürstin vonVix,
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