Die Welt der Kelten
Erhebung.
Das römische und barbarische Britannien
Trotz des römischen Sieges konnte Britannien noch lange nicht als befriedet und erobert gelten. Auch wenn Rom mit vielen Stammeshäuptlingen
Bündnisse schloss und ihnen Ehrentitel wie »Freund« oder »Bundesgenosse« verlieh, mussten seine Soldaten mit Erhebungen und
Überfällen rechnen.
Zwanzig Jahre nach dem Aufstand der Boudicca versuchte Julius Agricola ein gerechter Statthalter zu sein, der gleichzeitig
gegen unbotmäßige Stämme energisch vorging. Dieses Bestreben lenkte seinen Blick weit in den Norden, nach Schottland, wo keltische
und andere Völkerschaften für Unruhe sorgten. Mit ihrer wilden Kampfbereitschaft taten sich besonders die Kaledonier hervor;
sie ließen sich selbst von einer Niederlage gegen die römischen Truppen nicht abschrecken, weiter Widerstand zu leisten. Zu
diesem Zweck bewaffneten sie die jungen Krieger, versteckten die Frauen mit den Kindern und bekräftigten auf Versammlungen
und durch Opferfeiern ihr Bündnis gegen Rom.
Dessen Statthalter entsandte eine Flotte, die die schottische Küste unsicher machen sollte. Gleichzeitig führte er seine Soldaten
auf beschwerlichen Landwegen durch die Highlands, wo es schließlich an einem unbekannten Ort zur Entscheidungsschlacht kam.
Ein weiteres Mal trafen die Legionäre auf Krieger, deren Erscheinungsbild ihnen befremdlich und barbarisch schien – was auf
viele Stämme der Britischen Inseln zutraf. Oft trugen diese nämlich überhaupt keine Kleider, sondern schmückten ihre Körper
und Nacken mit Ringen aus Eisen und hielten dies für einen Schmuck und ein Zeichen von Reichtum. Ihren Körper tätowierten
sie mit bunten Zeichnungen und verschiedenen Bildern von Tieren. Oftmals verzichteten sie auf Gewänder, damit die Körperzeichnungen
nicht verdeckt waren. Die römischen Geschichtsschreiber charakterisieren sie als streitbar und mordgierig: Sie seien nur mit
einem Kurzschwert und einer Lanze gerüstet |136| und trügen das Schwert um den nackten Körper gegürtet. Der Gebrauch eines Brustpanzers oder Helms sei ihnen unbekannt, ja,
sie hielten solche Bewaffnung für eine Behinderung beim Durchqueren der Sümpfe.
In Schottland standen mehr als 30 000 derart bewaffneter und geschmückter Krieger den Römern gegenüber und hörten die anfeuernden
Worte ihres Befehlshabers. Als dieser geendet hatte, erklangen die Kriegstrompeten, rauer Gesang ertönte und mit lautem Geschrei
rief man die Götter an. Dann bildeten sich die Heerhaufen, die Verwegensten preschten mit blitzenden Waffen vor, um sich,
den eigenen Kämpfern und dem Feind ihren Mut und ihre Todesverachtung zu beweisen. Schließlich begann die Schlacht, die dem
bekannten Muster vieler Kämpfe zwischen römischen Legionären und keltischen Stammeskriegern folgte. Den Kaledoniern gelang
es nicht, mit ihren ungestümen Angriffen die Römer und ihre Verbündeten zu verwirren und in die Flucht zu schlagen. Sie erlitten
eine bittere Niederlage, nach der sie sich zurückzogen. Tacitus schildert die Szenerie des folgenden Tages: Ödes Schweigen
herrschte überall, die Hügel waren verlassen und in der Ferne erblickte man rauchende Hütten. Die ausgesandten Kundschafter
trafen auf keinen Menschen, nur unbestimmte Fluchtspuren waren zu sehen. Daraufhin machte sich Agricola mit den Truppen wieder
nach Süden auf. Die Kaledonier aber zogen sich in die unzugänglichen Berge und Sümpfe zurück, um in den nächsten Jahrhunderten
ihre angestammte Kultur weiter zu pflegen. Schottland wurde niemals von den Soldaten Roms eingenommen und blieb als barbarisches
Britannien sich selbst überlassen.
England und Wales wurden dagegen endgültig römische Provinz. Hier entstanden Städte wie London, Bath, Lincoln und York, wo
man Straßen anlegte und steinerne Bauten errichtete. Britannier und Römer ergingen sich auf dem Forum, handelten auf den Märkten
und gaben sich in luxuriösen Bädern dem Wohlleben hin. In den zahlreichen Tempeln opferte man seinen Göttern, wozu man immer
häufiger die Toga des zivilisierten Römers trug. Die alte Stammesaristokratie erkannte die günstigen Zeichen der neuen Zeit;
denn Rom belohnte auch hier Ergebenheit reichlich. Außerdem brachte die fortschreitende Romanisierung ein friedliches Leben
in satter Muße. Die Söhne der Oberschicht genossen eine römisch geprägte Bildung und Erziehung. Sichere und komfortable Straßen
durchzogen das Land und
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