Die Welt in mir (German Edition)
und
geschminkt hatte, musste ich mich der Realität stellen und zur Arbeit. Dies
bedeutete gleich zwei Dinge, die mir zuwider waren. Zum einen musste ich mich
für acht quälende Stunden von Josh trennen und diese zum anderen mit meinem
Chef verbringen, der nach meiner gestrigen Ansage bestimmt sauer war.
„Fertig, deinem Chef gegenüberzutreten?“
Ich fragte mich erneut, ob Josh
Gedanken lesen konnte.
„Um ehrlich zu sein, macht mir das
etwas Sorgen. Nach gestern bin ich mir nicht sicher, ob ich noch einen Job habe
und bei Judi, unserer Empfangsdame, muss ich mich auch entschuldigen.“ Ein
weiteres Gespräch, auf das ich mich nicht freute.
Zusammen machten wir uns auf
den Weg zu meiner Arbeit. Josh blieb an meiner Seite, ohne mich zu berühren.
Den Weg legten wir schweigend zurück, und jeder Meter, den wir meinem
Arbeitsplatz näherkamen, bedeutete gleichzeitig, dass unsere Trennung näher
rückte. Wie konnte es mir nach so wenigen gemeinsamen Stunden nur so schwer
fallen? Ich fragte mich, ob es ihm ebenso ginge und ob dies der Grund für sein
Schweigen war.
Als wir vor dem Eingang des
Hauses standen, in dem sich mein Arbeitsplatz befand, konnte ich heulen. Gerade
wusste ich nicht, wie ich acht Stunden ohne ihn verbringen sollte. Ich wollte
ihn viel lieber jede Minute anstarren. Könnte ich das nicht zu einem Job
machen? Darin wäre ich unschlagbar gewesen.
„Da wären wir. Ich komme dich
nach der Arbeit hier wieder abholen, okay?“ Sein Lächeln wirkte gequält, die
Hände hatte er in die Hosentaschen vergraben und die Schultern hochgezogen, als
würde ihm die Trennung auf Zeit ebenso schwerfallen wie mir.
„Ist in Ordnung. Bis später“,
ich drehte mich schweren Herzens um und ging durch die Eingangstür. Wäre ich
nicht sofort losmarschiert, hätte ich es mir eventuell anders überlegt und ihn
angefleht, zu bleiben oder wieder mit mir nach Hause zu kommen. Ich schlich
mich niedergeschlagen und deprimiert die Treppen hoch. Von Glücksgefühl am
Morgen war nichts mehr übrig geblieben. Stattdessen fühlte ich eine Leere, als
würde ein Teil von mir fehlen.
Bevor ich Judi gegenübertrat,
atmete ich noch einmal durch. „Ähmm Judi. Ich wollte mich für gestern
entschuldigen. Ich weiß nicht, was da in mich gefahren ist. Ich war einfach
sauer und unzufrieden und hätte es nicht an dir auslassen dürfen.“
Offenbar genügte ihr diese Entschuldigung,
denn sie lächelte mich an und sah versöhnlich aus. „Kein Problem. Und du
hattest gar nicht so Unrecht. Ich habe wirklich geglotzt. Wer war denn der
heiße Kerl?“
Die Sache mit Judi war also für
sie nicht so schlimm gewesen, wie ich es gedacht hatte. „Das war ähmm ... Das
war Alex, ein Bekannter“, stammelte ich und ging zu meinem Arbeitsplatz. Was
sollte ich auch sonst sagen? Dass ich das Gleichgewicht für eine andere Welt war
und Alex mich beschützte? Das glaubte mir wohl keiner. Nachdem Alex sich wieder
in meine Gedanken geschoben hatte, vermisste ich den Bad Boy ein wenig. Und
auch wenn er mich das letzte Mal auf der Arbeit aufgrund seines Einflusses auf
meine Gefühle in Schwierigkeiten gebracht hatte, würde ich mir heute etwas von
diesem Mut und dem Selbstbewusstsein, das er mir verlieh, wünschen. Meinem Chef
zu begegnen, machte mir immer noch Sorge.
Nachdem ich eine Stunde
ungestört gearbeitet hatte, rauschte mein Chef aus seinem Büro zu mir. Jetzt war
also der Moment der Wahrheit gekommen.
„Frau Heinrich, könnten Sie
bitte meinen Termin am Nachmittag absagen. Ich werde das nicht schaffen.“
Ich nickte nur, völlig unfähig,
zu antworten. Hatte er gerade „bitte“ gesagt und nicht gebrüllt und den letzten
Vorfall einfach verschwiegen?
So viel Glück konnte ich nicht
haben. Aber offensichtlich doch. Ein Nachschub kam nicht, sondern er verschwand
einfach wieder in sein Büro. Ich konnte nicht umhin zu denken, dass Alex das
ermöglicht hatte. Ohne ihn hätte ich niemals die Courage gehabt, meinem ätzenden
Chef die Meinung zu geigen. Beim Gedanken an ihn ging es mir etwas besser, obwohl
ich auch zeitgleich ein schlechtes Gewissen gegenüber Josh hatte. Vor Kurzem hatte
ich ihn noch schmerzhaft vermisst und nun dachte ich mit einem Lächeln im
Gesicht an einen anderen.
Der Rest des Tages auf der
Arbeit verging ohne Zwischenfall. Wenn mein Chef mit mir sprach, war er
überraschend freundlich und auch kurz angebunden. Eine willkommene Abwechslung.
Ansonsten erledigte ich meine Arbeit, wie jeden anderen Tag auch. Mit
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