Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
guten Urologen?«
»Wieso, laufe ich aus?«
»Nein, nur weil ich gerade bei einem war. Wegen dem Aufstehen, nachts. Guter Mann. Kann ich nur empfehlen.«
»Danke. Nehm ich. Hast du ’ne Telefonnummer?«
Er gibt sie mir, und ich schaffe mir die passende Krankheit an.
Solche Gespräche führe ich inzwischen täglich. Ich treffe einen völlig Fremden, und innerhalb von zehn Minuten tauschen wir Telefonnummern aus: Er kriegt die von meinem Proktologen und ich die von seinem Hals-Nasen-Ohrenarzt. Natürlich suche ich den empfohlenen Arzt dann auch sofort auf. Das ist Ehrensache. Zudem bringt so ein Arztbesuch auch immer neuen Gesprächsstoff für das nächste Treffen. Das klappt sogar mit wildfremden Frauen. Okay, die empfohlenen Gynäkologen suche ich dann eher selten auf.
Wegen meinem Rücken. Ich komm so schlecht aus dem Stuhl raus.
Freude im Land der Schmerzen
Keine Frage: Bandscheibenprobleme sind nichts Schönes. In der Regel sind diese Probleme nämlich mit Schmerzen, mit aufwendigen Behandlungen und mit Bewegungseinschränkungen verbunden. Aber gerade Letzteres, die zeitweilige Bewegungsunfähigkeit, hat auch positive Seiten. Zum Beispiel muss ich den Müll nicht mehr runtertragen. Wegen des Gewichts und so. Diese Aufgabe übernimmt seit längerem der junge Mann, der seit 17 Jahren ein Zimmer unserer Wohnung belegt. Er macht das gerne. Ich muss nur sagen: »Lieber Sohn, würdest du mal eben den Müll runtertragen? Du weißt ja, meine Bandscheibe …«, und schon läuft er los. Wenn er mal nicht sofort losläuft, brauche ich nur zu sagen: »Lieber Sohn, würdest du mal eben den Müll runtertragen? Du weißt ja, dein Taschengeld …«, und spätestens dann macht er sich auf die Socken.
Früher konnte ich ihm mit diesem Argument nicht kommen. Mit »früher« meine ich die Zeit, als er noch kein Taschengeld bekommen hat. Anlässlich einer solchen Gelegenheit habe ich mir dann notiert: »Drohkulisse aufbauen, Taschengeld einführen!« Danach war das mit dem Müll nur noch selten ein Problem. Eigentlich war es nur noch ein Problem, wenn er das Taschengeld bereits bekommen hatte.
»Quentin, trägst du den Müll runter?«
»Kann nicht, bin beschäftigt.«
»Ach was, und womit ist der Pubertierende beschäftigt? Gedichte schreiben, Hausaufgaben machen, Bushido hören?«
»Ich chille.«
»Oh, du chillst! Mensch, hätte ich das gewusst, hätte ich dich überhaupt nicht gefragt. MÜLL RUNTERTRAGEN , UND ZWAR SOFORT ! Denk an
dein
Taschengeld!«
»Brauch ich nicht dran zu denken, das hab ich gestern schon gekriegt. Frag mich wegen dem Müll nächsten Monat wieder.«
Nach diesem Gespräch habe ich mir wieder eine Notiz gemacht: »Taschengeld in kleineren Raten auszahlen. Womöglich täglich.«
Manche halten meine Erziehungsmethoden für zu hart. Sie meinen, ich sollte meinen Sohn wie einen Menschen behandeln und »bitte« sagen. Das hab ich tatsächlich einmal gemacht. Ich habe »bitte« gesagt, und er guckte mich an und sagte: »Ey, Dicker, biste schwul oder was?« Für meinen Versuch, höflich zu sein, wurde meine sexuelle Orientierung in Frage gestellt! Das geht nun aber gar nicht. Ich bin ein dicker Hetero-Ami, und darauf bestehe ich!
Apropos Hetero, Apropos Sex: Es gibt noch einen weiteren Vorteil bei meinen Bandscheibenproblemen. Seit mein Rücken mir einiges im Leben versaut, darf ich beim Sex unten bleiben. Ich muss nicht mehr in ungünstiger »Obenlage« aktiv werden, was zum einen tierisch anstrengend, zum anderen schlecht für meine Bandscheibe ist. Am Anfang glaubte meine Frau, mich bestrafen zu müssen: »Solange du nicht abnimmst, darfst du nicht mehr oben liegen. Ab sofort bleibst du unten.« Ich dachte: »O nein, was für eine Strafe! Wie werde ich das ertragen?«, habe mich aber meinem Schicksal gebeugt und mich nach unten begeben, beziehungsweise mich einfach hingelegt. Was soll ich sagen: Scheiße, da unten ist es viel besser. Bessere Luft, bessere Sicht und absolut schmerzfreies Agieren. Es ist nicht nur viel weniger anstrengend, es ist sogar gut für den Rücken, und wenn man Langeweile hat, ist immer was zum Spielen da. Ich muss da einfach nur rumliegen und spüre mein Gewicht nicht mehr. Die ideale Position für einen Amerikaner. Ich weiß nicht, ob es dafür schon einen Namen gibt, aber ich nenne es die »Amerikanische Stellung«. Nicht schlecht wäre auch »Mc Sex« oder »Burger Boob«. Nicht nur ich, auch meine Frau ist glücklich. Schließlich muss sie nicht mehr befürchten, von
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