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Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Titel: Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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Urheberrecht am »Nebenbefund« hat die Gilde der KFZ -Mechaniker: Man lässt zwei neue Reifen aufziehen, will das Auto wieder abholen, und der freundliche Herr mit dem ölverschmierten Kittel und dem feisten Grinsen im Gesicht präsentiert den Nebenbefund.
    »Die Reifen sind drauf, Herr Dolly, aber ich hab da ’ne schlechte Nachricht: Die Radaufhängung war leider ausgeschlagen. Ich hab versucht, Sie zu erreichen, hab aber nur Ihre Frau am Telefon gehabt, und die hat gesagt: ›Was gemacht werden muss, muss gemacht werden‹, und dann haben wir es gemacht. Das Ganze kostet dann leider ein paar Euros mehr. Statt 180 sind es jetzt 980 Euro.«

    Ja, ich liebe meine Frau, und ich liebe Nebenbefunde. Ich weiß bloß nicht, wer schlimmer ist: Mechaniker oder Mediziner?

    Die Unterschiede zwischen kfz-mechanischen und medizinischen Nebenbefunden sind gering, mit leichten Vorteilen aufseiten der Mediziner. Vorausgesetzt, man ist versichert, muss man beim Arzt wenigstens nicht zahlen, höchstens sterben. Nicht etwa, weil der Nebenbefund stimmt. Das ist höchst selten der Fall. Es ist vielmehr die herzinfarktfördernde Panik, die der Nebenbefund auslöst, denn eines ist immer gleich, ob in der Werkstatt oder in der Praxis: Der Nebenbefund ist immer schlimmer als das Leiden, wegen dem man den Arzt aufgesucht hat.
    Meine persönliche Nebenbefund-Liga führte lange Zeit meine Hautärztin an, die ehemalige KGB -Agentin. Inzwischen wurde sie von meinem Lieblingsorthopäden Vladimir abgelöst. In dieser speziellen Ärzte-Liga geht es zu wie im Fußball: Wenn die Bayern von einer anderen Mannschaft bedrängt werden, investieren sie wie blöd in neue, teure Fußballer und – zack – sind sie wieder oben. Das klappt fast immer. Und so ist es auch bei meinem Vladimir-Orthopäden: Bis dato konnte er mir nur mit kleineren Nebenbefunden kommen wie Sehnen- oder Nervenentzündung, Durchblutungsstörung et cetera – Kinkerlitzchen halt. Aber nun hatte Vladimir investiert: Mehr als eine Million Euro in ein neues Diagnosegerät. Vladimir war von diesem Moment an Bayern München und meine Hautärztin nur noch Zweite Liga mit ihrer lächerlichen Hightech-Lupe.

    Es fing an wie immer: Mit meinen chronischen Nackenschmerzen und meinem Bedürfnis, mit Vladimir darüber zu sprechen. Sonst hatte ich niemanden, dem ich vorjammern konnte; meine Frau verweigerte sich seit einiger Zeit immer öfter. Sobald ich sagte: »Marita, mein Nacken tut wieder so schrecklich weh!«, legte sie mir wortlos die Liste meiner Orthopäden vor. Ganz oben steht Vladimir. Also gut, dann eben Vladimir.
    Nachdem ich als Privatpatient wie immer statt im Wartezimmer eine Stunde im Behandlungszimmer gewartet hatte, trat Vladimir ein. Irgendetwas war anders. Er wirkte größer als sonst, nicht physisch größer, es war mehr seine selbstsichere Art, die mich beeindruckte.
    »Hallo, John, was kann ich für dich tun?«
    »Vladimir, ich mach nun seit Jahren alles: Massage, Physiotherapie, Yoga, Muskeltraining, Sport, und nichts ändert sich, mein Nacken tut nach wie vor sauweh!«
    Er überlegte ein paar Sekunden, untermalte sein Nachdenken mit einigen intellektuell klingenden »Mhms«, tatschte mir ein wenig am Nacken herum und sagte: »John, ganz ehrlich, ich hab keine Ahnung. Aber … ich hab ein neues Röntgengerät. Neueste Tomographie-Technik aus den USA .« Nach » USA « machte Vladimir eine kleine Pause. » USA « sollte mich beeindrucken. Tat es aber nicht. Wer im US -Gesundheitssystem eine Computertomographie machen lassen will, muss entweder stinkreich sein oder das Gerät klauen. Da ich nie reich und zum Klauen zu feige war, habe ich in New Jersey nie eine CT machen lassen. Allerdings brauchte ich das bisher auch nie. Ich hatte damals keine Probleme. Nur rote Haare.

    »Pass auf, John«, fuhr Vladimir fort, »wir ziehen dich jetzt mal durch das neue Ding, vielleicht finden wir doch etwas, was bisher übersehen wurde.«
    Das hörte sich gut an, für mich, den absoluten Technik-Freak. (Als das neue iPhone rauskam, stand ich stundenlang in der Verkaufsschlange. Gekauft hab ich’s dann nicht, weil ich mich aus Versehen in einer Schlange für das neue Buch der »Super-Nanny« angestellt hatte, das Katharina Saalfrank höchstpersönlich signierte. Meines hat sie dann auch signiert, beziehungsweise das Buch für meinen Sohn:
»
Lieber Quentin, los, auf die stille Treppe! Deine Katharina Saalfrank.« Bislang hat es der Pubertierende nicht gelesen. Ich werde ihm den Kaufpreis

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