Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
Pappsatt. Schon vor einer Stunde hat man den obersten Knopf der Hose geöffnet, vor einer halben Stunde den zweiten. Inzwischen steht man nur noch, weil das Völlegefühl im Sitzen nicht mehr zu ertragen ist. Und genau in diesem Moment wird die chillige Party-Stimmung durch den Ruf des charmanten Gastgebers und Grillmasters unterbrochen: »Alle mal herhören! Hier ist noch eine Wurst! Wer möchte die letzte Wurst?« Und – zack – da ist sie wieder, diese Schizo-Stimme, und sie flüstert: » DU , JOHN , DU MÖCHTEST DIE LETZTE WURST ! SAG ES ! KOMM , SAG ES !« Ich sage es: »Hallo, hier, ich nehme sie … also, wenn kein anderer möchte!«, und halte dem »Master of Grill« meinen Teller entgegen. Natürlich möchte kein anderer. Also nehme ich die letzte Wurst in Empfang, schlinge sie hinunter und öffne nun jeden Knopf meiner Hose, weil jetzt sowieso alles scheißegal ist. Hinter mir steht meine Frau und schämt sich in Grund und Boden, und mein Sohn macht Fotos von meiner offenen Hose, um sie bei Facebook zu posten.
Andere Situation, an der Wursttheke: Vor mir steht eine Mutter mit zwei quengelnden Kleinkindern. Bevor Mama ihre Bestellung aufgeben kann, bekommen die Kleinen von der rosawangigen Fleischfachverkäuferin jeweils eine Scheibe Mortadella in die Patschhändchen gedrückt. Mir passiert das nie, egal wie treudoof ich gucke. Das Schlimmste aber ist, dass die Rotzgören die Wurst meistens gar nicht haben wollen. Sie haben noch keine Stimme in ihren kleinen Köpfen, die ihnen zuflüstert: »Nimm die Wurst! Iss sie! Heule und fordere noch eine!« Nein, sie spielen mit der leckeren rosa Scheibe rum, bis sie auf den Boden knallt.
Was dann? Nichts. Niemand sagt: »Pech gehabt, junger Mann, das war’s erst mal mit Wurst.« Nein, niemand sagt so etwas. Im Gegenteil. Der zwergwüchsige Wurstvernichter bekommt noch eine Scheibe in die Hand gedrückt, und es beginnt dasselbe Spiel von vorn. Doch diesmal schreite ich ein: Während Mama ihre abendliche Aufschnittplatte zusammenstellt und die Verkäuferin hinter der Wursttheke Scheibchen für Scheibchen auf die Waage legt, reiße ich dem kleinen Kostverächter die Mortadella aus der Hand. Sofort fängt das Blag an zu schreien. Mama und Verkäuferin wenden sich besorgt dem weinenden Wurm zu und fragen: »Was hast du denn, ist deine Wurst wieder runtergefallen? Nein, hier liegt nichts. Hast du sie etwa schon aufgegessen? Möchtest du noch eine?«
Zum Glück ist der noch bildungsferne Nachwuchs nicht in der Lage, sich zu artikulieren, und kann den wahren Sachverhalt nicht schildern. Ich stehe also ebenso unbeteiligt wie kauend daneben, und die Stimme in meinem Kopf sagt: »Gut gemacht, John, weiter so!«, und mein Bauch stimmt zu: » URPS !«
Aber das ist jetzt vorbei beziehungsweise, das soll jetzt vorbei sein. Ich will nicht mehr, dass mein Wohlbefinden von der letzten Wurst auf dem Grill oder von einer Scheibe Mortadella abhängt. Insbesondere, weil die Wurst gar nicht dauerhaft zu meinem Wohlbefinden beiträgt. Diese eine, mehr als nur überflüssige Fleischration verschafft mir stets nur einen kurzen Kick, ähnlich der »Koks-Line«, die sich jeder gute Kreative mal eben auf dem Toilettendeckel in die Nase zieht (wobei ich sehr froh bin, dass man Mortadella nicht schnupfen kann).
Nein, mein Wohlbefinden ist von einem positiven Körpergefühl abhängig, und davon habe ich momentan nicht allzu viel. Mein Bauch, der so imposant aus meiner Körpermitte herausragt, spricht gegen ein positives Körpergefühl. Der Bauch sieht nicht nur scheiße aus, er vermasselt mir auch meine Körperhaltung und belastet meine Bandscheiben. Ich bin fest davon überzeugt: Ohne diese Zehn-Kilo-Wanne, die ich da vor mir rumschleppe, hätte ich das eine oder andere Rückenproblem weniger. Weil ich das erkannt habe, hier nun meine Aufgabenliste für die nächsten Monate:
Weniger Essen.
Mehr Bewegung.
Mehr Information über das Innenleben meines Bauchs, denn nur, wer den Feind kennt, kann ihn besiegen.
Weil es leichter ist, an Informationen zu kommen, als abzunehmen oder sich mehr zu bewegen, fange ich mit Punkt 3 an:
Es gibt nicht nur eine Sorte von Bauchfett. Fett wäre nicht Fett, wenn es nicht ein paar gute Kameraden hätte, mit denen es sich austauschen könnte. Da ist erst einmal das »subkutane Fett«. Das sitzt zwischen Haut und Muskeln; in diesem Fall zwischen Haut und Bauchmuskeln, in meiner Muttersprache liebevoll »Love Handles« genannt. Das »subkutane Fett« ist ganz
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