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Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Titel: Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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Überflussgesellschaft seinem Essen nicht mehr hinterherlaufen muss, simulierte Art De Vany diese steinzeitliche Nahrungssuche. Er lief regelmäßig durch die Wüste Utahs, immer auf der Suche nach Beute: Bisons, Bären, Säbelzahntigern oder – ersatzweise – dicken Touristen. Natürlich tötete er sie nicht, schließlich lebte er in Utah und nicht in Texas. Man sah Art auf seiner imaginären Jagd nach schmackhaften Beutetieren, wie er zuerst viele kleine, schnelle Sprints machte, dann stoppte er und lauschte. Danach trabte er im mittleren Tempo weiter, als ob er das Wild über eine längere Strecke verfolgen müsste. Dann wieder ein Sprint, und irgendwann stand er kurz vor seiner Beute und hoffte, dass sie erschöpfter war als er. Was sie war, denn er war
Art De Vany:
Ein Zweiundsiebzigjähriger mit der Kraft eines Fünfundzwanzigjährigen.
    In diesem Moment sah ich es klar und deutlich vor mir: Wenn ich so werden wollte wie dieser Mann, wenn ich so gesund wie ein Steinzeitmensch werden wollte, musste ich meinen Alltag total umkrempeln. Kein Fastfood mehr. Keine Schuhe mehr. Kein Auto, mit dem ich Rehe auf Landstraßen jage. Wenn Rehfleisch, dann musste ich das süße Tier mit meinen eigenen Händen erwürgen.
    Der Entschluss war gefasst: Auch ich wollte ab sofort sein wie Art De Vany! Ich wollte wie ein Steinzeitmensch leben. Ich wollte meinem Körper nur noch das geben, wofür er geschaffen ist. Erst einmal wollte ich es einen Monat lang versuchen. Dann entschied ich anders: Eine Woche müsste reichen. Ich einigte mich schließlich auf einen Tag.

    Meine Steinzeit begann damit, dass ich meine Turnschuhe entsorgte. Keine Nikes mehr, keine Adidas- oder Pumas und erst recht keine Converse. Drei Stunden später dachte ich: Bist du nur blöde, John? Warum hast du alle deine Turnschuhe sofort weggeworfen? Zwischen dem Wegwerfen und diesem Gedanken war ich drei Stunden lang auf der Suche nach Beeren und Nüssen. Barfuß! Weiß eigentlich jemand, wie schwierig es ist, in Köln
barfuß nach Beeren und Nüssen
zu suchen? Ich denke, man hat bessere Chancen, einem Bison über den Weg zu laufen, als irgendwelche gottverdammten Beeren zu finden!
    Es fängt damit an, dass man während der gesamten steinzeitlichen Beerensuche nach unten schauen muss. Wenn man es nämlich nicht tut, schneidet man sich innerhalb kürzester Zeit in der »Stadt der zerschepperten Kölschflaschen« alle Zehen ab. Das »Nach-unten-Schauen« hat viele Nachteile und einen ganz besonders großen: Du siehst die Beute nicht mehr, nach der du gerade suchst. In Fußgängerzonen wachsen wenig Beeren und auf dem Boden liegen noch weniger herum. Schließlich landete ich in einem Supermarkt an der Obsttheke. Gerade als ich mir ein Schälchen Himbeeren schnappen wollte, raunzte mich ein Verkaufsoffizier an: »Hey, Sie da, wir sind ein Lebensmittelhandel. Barfuß einkaufen ist hier nicht erlaubt! Verlassen Sie bitte den Laden!« Im selben Moment schauten alle Umstehenden auf meine nackten Steinzeitfüße. Ich auch. Und ich sehe, dass ich eine Blutspur hinterlassen hatte.
    »Das ist ja eklig«, bemerkte eine eklige Vollverschminkte. Keiner sagte: »Kann ich Ihnen helfen?« Oder: »Brauchen Sie einen Arzt? Ich bin zufällig einer!« Nein, sie alle sagten und meinten: »Das ist ja eklig!«
    Ich flüchtete barfuß auf die Straße und setzte mich auf die nächstbeste Bank, um meine Wunden zu lecken. Das war zwar nicht wörtlich gemeint, aber schon stand der nächste Steinzeitmensch-Rassist vor mir.
    »Eh, hau ab, wir dulden hier keine Penner!« Ich schaute mir den Kerl, Typ Finanzamt Köln-Süd, genauer an. Hat der mich gerade Penner genannt? Hat der Penner mich gerade Penner genannt? Ich tue was für meine Gesundheit, und er nennt mich einen Penner?
    Mein zweiter Gedanke war, ihn anzuzeigen, doch das wäre nicht korrekt. Schließlich lebte ich in der Steinzeit, jenseits aller Beleidigungsparagraphen. Konsequenterweise hätte ich ihn also erlegen müssen, aber auch das hätte Nachteile. Ganz sicher würde kein Richter meiner Argumentationskette folgen.

    Nach nur drei Stunden Steinzeitleben stieß ich bereits an meine Grenzen: Meine großen Vorbilder »Homo sapiens sapiens« und »Homo sapiens Neanderthalensis« mussten sich vermutlich nicht als »Penner« beschimpfen lassen, nur weil sie barfuß durch die Gegend liefen. Und das bisschen Blut an den Füßen hätten ihnen sicher fürsorgliche Steinzeitbräute einfach weggeleckt. Ganz sicher hatte jeder Steinzeitmann

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