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Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Titel: Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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weiter, bis ich den ganzen Kuchen meinem Stoffwechselkreislauf zugeführt habe. Dann platze ich aus allen Nähten und denke: Mist, schon wieder sind meine Sachen eingelaufen!
    Okay, ich gebe es zu: In Sachen Essen bin ich »out of control«. Inzwischen versteckt meine Frau den Kuchen sogar vor mir. Es ist wie bei einem Junkie, nur mit dem Unterschied, dass man in meiner Wohnung keine Drogen oder Alkohol in den hinterletzten Ecken findet, sondern höchstens Kuchenreste. Einmal hatte sie einen Schokokuchen in unserer Putzkammer versteckt, zwischen Besen, Schrubber und Staubsauger. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund glaubte sie, dass ich – meinen natürlichen männlichen Instinkten folgend – niemals in die Putzkammer schauen würde. Hab ich auch nicht. Es war der Pubertierende, der den Kuchen entdeckte – durch Zufall! Minuten zuvor hatte er wieder mal ein Glas Cola über seinen Computer gekippt und damit die Chipskrümel in die Tastatur gespült. Auf der Suche nach einem Lappen stieß er dann auf den Kuchen, und mein ausgeprägt guter Geruchssinn führte mich sofort zu der Leckerei.
    Ja, ich bin ein Junkie, ein Schokokuchen-Junkie! Ich bräuchte dringend Hilfe. Einen Kurs für »Anonyme Kuchenabhängige« …
    »John, bitte stell dich mal den anderen vor.«
    »Hi, ich bin John. Ich bin Schokokuchen-Junkie.«
    Alle anderen: »Hi, John!«
    »Ich bin Jim, meine Schwäche ist Schwarzwälder Kirsch.«
    »Hi, Jim!«
    »Und ich bin Helen. Ich hab Probleme mit Tiramisu und … äh … mit noch mehr Tiramisu.«
    »Hi, Helen.«
    »So«, sagt die gertendünne Kursleiterin, »weil der John neu in unserer Runde ist …«
    Alle anderen: »Hi, John!«
    »Weil also der John neu in unserer Mitte ist, erzähl doch mal, was dir gestern widerfahren ist!«
    »Ich? Hm … ich weiß nicht, wie ich es sagen soll … ich schäme mich ein bisschen.«
    Alle anderen: »Schäm dich nicht John, wir sind alle gleich!«
    »Na gut. Also meine Frau hat einen Kuchen gebacken. Ich hab es gerochen, bin in die Küche rein, und als sie meinen Blick gesehen hat, hat sie den Kuchen schnell vor mir versteckt – im abschließbaren Kühlschrank. Ich hab sie angefleht, mir die Zahlenkombination des Schlosses zu verraten, aber sie hat sich geweigert. Dann hab ich ihr in die Hand gebissen, weil noch Schokosoße dran war. Ich schäme mich!«
    »Schäm dich nicht, John, wir sind alle gleich!«

    Leider gibt es keine »Anonymen Kuchenabhängigen«, aber es gibt die Kuchensucht. Vor kurzem konnte ich wegen des Schokokuchen-Entzugs wieder mal nicht schlafen. Also hab ich mich vor die Glotze gepflanzt und mir eine Dokumentation über den
Weißen Hai
angeschaut – die gefährlichste Fressmaschine der Welt. Ich hätte mir auch noch eine Doku über Amis in Todeszellen anschauen können, aber Dokus über Amis in Todeszellen gibt es inzwischen inflationär viele, deshalb entschied ich mich für den
Weißen Hai.
Es war die richtige Entscheidung, denn jetzt weiß ich: Der Weiße Hai und ich haben vieles gemeinsam.
    Während die gefährlichste Fressmaschine der Welt durch die Weltmeere schwamm, sagte eine angenehme, männliche Stimme: »Der Weiße Hai verbringt die Hälfte seines Lebens mit Fressen und die andere Hälfte mit der Suche nach Fressen.« Ich dachte: Hey, das kenne ich! Früher, als Steven Spielbergs Weiße-Hai-Filme noch
die
Sensation waren, war mir nicht bewusst, wie viel ich mit dem eleganten Tier gemeinsam hatte.
    Ich dachte immer, wenn der Weiße Hai mal wieder irgendjemanden gebissen hatte: »What an asshole this great white shark is! A real asshole!«
    Aber jetzt verstehe ich ihn besser, den Weißen Hai. He’s not an asshole! He’s just hungry! All the time! Just like me!, und ich fühlte mich beim Anblick dieser auf einmal so menschlich wirkenden Kreatur wie ein Teil der Natur: Ich leide gar nicht an Fresssucht, meine Aufgabe ist es, überflüssige Nahrung zu vernichten.
    Zugegeben, das ist alles Blödsinn. Für mich, nicht für den Weißen Hai. Der muss sich ständig bewegen, und weil er sich ständig bewegen muss, muss er ständig fressen. Ich aber muss mich nicht ständig bewegen und fresse trotzdem ständig. Ich muss dabei nicht einmal wie der Weiße Hai nach Futter suchen, mir springt das Zeug einfach ins Maul: Ich stehe an der Bushaltestelle, und nebenan ist eine Bäckerei mit verlockenden Teilchen: »Einen Berliner, bitte!«
    Ich stehe auf dem Bahnsteig, warte auf den Zug, und ein Mann verkauft leckere Würste: »Eine Currywurst,

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