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Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Titel: Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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drei oder vier Fußableckerinnen.

    Im großstädtischen Deutschland des 21 . Jahrhunderts ist Steinzeitleben weniger einfach. Niemand leckt einem die nackten Füße ab, und man darf keine dicken Touristen oder pöbelnde Finanzbeamte erlegen. Nicht einmal aus Gesundheitsgründen. Um als Steinzeitmensch in Köln überleben zu können, musste ich meine Jagdtechniken dem »Hier und Jetzt« anpassen und nahrungstechnisch improvisieren. Weil ich keine Beeren und Nüsse in der Natur fand, switchte ich um. Nicht etwa auf Brot: Getreide und Getreideprodukte, Nudeln oder Brot kannten die Steinzeitmenschen nicht, aber Fleisch kannten sie, viel und verschiedenes Fleisch. Allerdings ist das Fleischangebot in Kölner Fußgängerzonen eingeschränkt: Außer Menschen gibt es nur Hunde und vereinzelt Katzen. Alle drei Fleischsorten mag ich nicht. Also pirschte ich mich an einen »Burger King« heran. Ganz langsam, damit ich meine Beute nicht verschreckte. Ich nutzte die Techniken, die mir Art De Vany beigebracht hatte: Erst langsame Schritte, dann schnellere. Dann einmal horchen, Witterung aufnehmen und zum Sprint ansetzen: Und – zack – schon stand ich in einer Schlange vor dem »Burger-Counter«. Keiner bemerkte, dass ich barfuß unterwegs war. Sofort passte ich mich blitzartig meiner Umgebung an, guckte blöd auf das Whopperangebot und hin und wieder auf die anderen Warteschlangen. Es war der obligatorische »Geht es in der anderen Schlange vielleicht schneller?«-Blick. Beinahe perfekt praktizierte ich die »Art De Vany-Schule«: Sei unauffällig, warte still und geduldig, bis der Moment des Zuschlagens gekommen ist.
    »Zwei Doppel-Whopper, bitte!«, schleuderte ich der Verkäuferin entgegen und ergänzte: »Aber nur das Fleisch. Ich bin ein Steinzeitmensch und brauche Fleisch. Kein Getreide, das gab es zu meiner Zeit noch nicht.«
    Die Frau guckte mich an, als hätte ich nicht gesagt, was ich gerade gesagt habe. Kurz: Sie guckte, als wäre ich zumindest blöd, wenn nicht gar doof.
    »Tut mir leid, den Whopper gibt es nur mit Brötchen. Wenn Sie nur das Fleisch wollen, müssen Sie das Brötchen selber wegschmeißen!«
    Das habe ich dann auch getan, und es war der beste Burger, den ich je gegessen hatte. Danach klaute ich noch ein paar Äpfel und ein paar Nüsse und Rosinen von einem Caféhaustisch im Hilton. Was soll ich sagen: Mein Steinzeittag war der volle Erfolg. Ich bewegte mich viel und aß nahrhaft und nicht zu viel. Und ich war mir auch sicher, dass die Schnittwunden an den Füßen in zwei, drei Wochen verheilen würden. Bis dahin lebte ich wieder ein bisschen in der Gegenwart.

Ernährung
    »Mein Bauch gehört mir!«
    In den siebziger Jahren, als sich viele Frauen öffentlich dazu bekannten, schon einmal abgetrieben zu haben, war das der Leitspruch der Protestbewegung gegen den Paragraphen 218 . In meinem Fall stimmt das zwar auch, ich aber könnte mir vorstellen, meinen Bauch einfach abzugeben. Ja: Ich verschenke meinen Bauch. Gerne an meinen ärgsten Feind. Besser noch: Ich gebe meinen Bauch denjenigen zurück, die ihn erschaffen haben: McDonald’s, Burger King und die gesamte Fleisch- und Süßwarenindustrie, ach überhaupt allen, die Lebensmittel herstellen, die niemand wirklich braucht. Außer Fressjunkies, wie ich einer bin.
    Leider ist das mit dem »Bauch-Abgeben« nicht so einfach, denn mein spezieller Bauch fühlt sich unterhalb meiner »Man-Boobs« äußerst wohl. Im Gegenteil: Mein Bauch gibt überhaupt nichts gern ab, der Rest von mir ist nämlich eher dünn. Meine Beine, mein Po, meine Arme, alles ist eher im normalen Bereich. Okay, ein bisschen Fett ist hochgewandert, zum Hals und ins Gesicht, besonders in die Nähe des Kinns, aber sonst ist alles schlank. Nur der Bauch eben nicht. Er ist mindestens zehn Kilo dicker, als er eigentlich sein sollte. Zwanzig Pfund Fett schleppe ich seit Jahren mit mir herum, ins Kino, ins Restaurant, zu Auftritten, und obwohl ich weiß, dass eine 20 -Pfund-Extraportion Fett mehr als genug ist, höre ich da immer wieder eine Stimme in meinem Kopf, die mir zuflüstert: »Komm, John! Einer geht noch – einer geht noch rein. Einer geht noch – einer geht noch rein!«
    Und was mache ich? Ich befolge den Rat dieses schizophrenen Bauchredners und schiebe noch etwas hinterher. Egal was.
    Beim Grillen zum Beispiel: Man ist bei Freunden eingeladen, nacheinander werden Würste, Steaks, Spieße und Spare-Ribs über den Grill gezogen, und man langt zu. Irgendwann ist man satt.

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