Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
Ehefraugrinsen.
»Freuen Sie sich, Herr Doyle, manche brauchen Tabletten dafür!« Ich grinste ein bisschen mit ihm, weil ich ein höfliches Opfer war, dann schwieg ich wieder. Das wiederum machte ihn verlegen, und er riss sich zusammen und stieß ein Verlegenheitsräuspern aus: »Ähm … wo sind Sie denn … steif?«
»Eigentlich überall. Heute Morgen am Nacken und an den Schultern. Es ist, als würden meine Gelenke über Nacht einrosten.«
»Ja, Herr Doyle, so falsch liegen Sie da gar nicht. Es fehlt tatsächlich ein Schmiermittel, also Gelenkschmiere. Die nimmt im Alter ab. Um das aufzufangen, sollte man sehr viel trinken. Trinken Sie genug?«
»Ich weiß nicht … wie viel ist genug … sechs Kölsch am Abend?«
»Nein, kein Kölsch, ich meine Wasser! Kölsch, also Alkohol, entzieht dem Körper sogar Flüssigkeit. Alkohol gaukelt dem Gehirn vor, es gebe zu viel Flüssigkeit im Körper, und man scheidet zu viel aus. Am Ende holt sich die Leber das Wasser dann aus dem Gehirn … daher kommen übrigens auch die Kopfschmerzen nach zu viel Alkoholgenuss, weil die Leber dem Hirn das Wasser klaut. Auf jeden Fall, Herr Doyle, müssen Sie viel Wasser trinken. Drei Liter täglich, mindestens.«
»Geht das auch mit Kaffee?«
»Theoretisch ja, aber das geht dann auf die Pumpe. Am besten ist schon Wasser, einfach nur Wasser. Sie werden sehen, Ihren Gelenken geht es dann besser.«
Ich war ein guter Patient und vertraute meinem Arzt. Also besorgte ich mir eine Kiste Wasser, schleppte sie in den Fahrstuhl und dann in die Wohnung. Damit hatte ich auch mein tägliches Sportprogramm absolviert. Jetzt musste ich das Zeug nur noch trinken. Weil ich mich jedoch mit Wasser nicht so gut auskannte und mir der Unterschied zwischen »still«, »natürlich«, »medium« und »classic« bis dato ziemlich scheißegal war, hatte ich »classic« genommen. Ein Fehler. Nach den ersten zwei Gläsern wurde mein Körper zu einer tektonischen Zeitbombe, gleich einem Vulkan kurz vor dem großen Ausbruch: Es kam zu leichten Vorbeben und kleineren Voraberuptionen: » URPS !«, sagte ich, und mein Sohn antwortete: »Gesundheit! Erzähl mehr von zu Hause.«
Bei uns zu Hause in New Jersey wurde nicht gerülpst. Wir haben allerdings auch kein Mineralwasser getrunken, bei uns kam das Wasser aus der Leitung.
Also stellte ich nach den ersten Eruptionen auf Leitungswasser um. Ich trank und trank und trank. Nach einem Liter musste ich mal. Dringend. Allerdings besetzte gerade der Pubertierende die Toilette.
»Quentin, könntest du dich bitte beeilen! Ich muss Wasser ablassen.«
»Moment, bin gleich fertig!«
Ich wartete einen Moment. Der Moment verging, und die Toilette war immer noch besetzt: »Quentin! Bitte! Es ist dringend!«
»Ja, ja, ja, mach ja schon. Was musst du auch so viel Wasser saufen.«
»Das hat mir der Arzt verschrieben!«
»Wie? Wasser auf Rezept? Ist das linksdrehendes Wasser, oder was?«
»Lieber Quentin, es ist doch wohl sch…egal, was das für ein Wasser ist. Meine Blase drückt einfach. Komm jetzt da raus!«
Und dann endlich ging die Tür auf und mein grinsender Sohn an mir vorbei.
»Na, dann mal los, Papa, erleichtere dich. Ich würde mich an deiner Stelle vorher und nachher auf die Waage stellen. Dann haste auch mal ein Erfolgserlebnis.«
Eigentlich schade, dass Kinder zu schlagen gesellschaftlich geächtet ist.
Aber ich ließ mir das Wassertrinken von einem fünfzehnjährigen Halbamerikaner nicht vermiesen. Ein paar Stunden und eineinhalb Liter später schlenderte ich durch Karstadt, und – ruck, zuck – war ich auf der Kundentoilette. Irgendwie war ich erleichtert, dass hier noch eine Klofrau mit kleinem Tellerchen saß. Toiletten auf den Autobahnraststätten machen mir immer Angst. Wie reinigen sich diese Toiletten – ohne Wasser, ohne Chemie, ohne alles? Zauberwerk? Ultraschall? Wird die Flüssigkeit vielleicht mittels Mikrowelle so hoch erhitzt, dass sie sich verflüchtigt und wir nun alle gasförmigen Urin einatmen? Nein, ich stehe auf konventionelle Klofrauen, die gelangweilt hinter ihren Tischen sitzen und auf ihr Münztellerchen starren. Wie bei Karstadt.
Ich erledigte mein Geschäft, legte 50 Cent auf das Tellerchen und war zufrieden.
Und nach zehn Minuten wieder da.
Die Frau starrte mich an, überlegte, ob sie mich schon mal gesehen hatte, und richtete dann ihren Blick wieder aufs Tellerchen, wo dann auch prompt meine nächsten 50 Cent landeten.
Zwanzig Minuten später war ich wieder da.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher