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Die Welt ist nicht immer Freitag

Titel: Die Welt ist nicht immer Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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mir in Wolfsburg aus, und paßt auf mich auf.
    - Das ist mir egal.
    - Gut, dann geh ich zum Schaffner und…
    - Du gehst nicht zum Schaffner!
    - Nur wenn du mit mir aussteigst.
    - Na gut, wir werden ja sehen, wer sich durchsetzt.
    Als wir in Wolfsburg aussteigen, sind keine Eltern am Bahnhof.
    - Und? Wo sind jetzt deine Rabeneltern?
    - Ich weiß nicht, vielleicht warten sie am Bahnhof in Gifhorn.
    - Gifhorn?
    - Da wohnen wir. Bringst du mich dahin?
    - Den Teufel werd ich tun. Ich bring dich jetzt zur Bahnhofsaufsicht, da kannst du ein paar Stunden bleiben, und wenn sich deine Eltern dann immer noch nicht gemeldet haben, kommst du in ein schönes Heim, wo du mit vielen anderen spielen kannst.
    Der Kleine fängt an zu weinen. Die anderen Passanten bleiben stehen und beobachten uns.
    - Immer sagst du, ich soll ins Heim, Papa.
    - Nenn mich nicht Papa.
    - Doch, Papa. Dabei bin ich dir nur nachgefahren, damit du nicht wieder alles Geld vertrinkst und Mama die ganze Nacht weint.
    Die Passanten bilden einen Kreis um uns.
    - Hör jetzt auf.
    - Nein, bitte hau mich nicht!
    Die Menschenmenge wird zu einer Zusammenrottung und beginnt, tieftonig zu grummeln. Obwohl ich mich nicht wie der Klügere fühle, gebe ich nach, drücke Torben so fest ich nur kann an mich und beginne zu weinen. Dazu brauch ich mich nichtmal zu verstellen.
    Auch unser Regionalzug fährt über Gifhorn nach Hannover. Na immerhin. Unser Zug hat nur 25 Minuten Verspätung, so daß wir gerade mal eine Stunde warten müssen. Das ist Glück.
    Der Regionalzugschaffner ist für einen Norddeutschen überraschend redselig.
    - Soso, von Wolfsburg kommen Sie?
    - Naja, genaugenommen von Berlin.
    Er grinst.
    - Verstehe, kenn ich, solche hamm wir oft. Und kurz vor Wolfsburg konnten Sie einfach nicht einschlafen, was?
    So viel zu Frederiks brillantem, geheimem Supertrick. Klar, war auch viel Pech bei. Trotzdem bin ich mittlerweile skeptisch, ob ich auch seinen zweiten Supertrick, durch den einmaligen Erwerb einer gebrauchten Wachschutzuniform mit Schäferhundattrappe jahrelang BVG-Gebühren sparen, unbedingt ausprobieren sollte.
Tage der Angst
    - Ihr fliegt mit Cross-Air?
    - Ja, warum?
    - Sind die nicht letzte Woche abgestürzt?
    - Nicht alle. Das war nur ein Flugzeug.
    - Ja, aber beunruhigt dich das nicht?
    - Ach was. Da steh ich drüber. Ich hatte noch nie Angst im Flugzeug.
    - Wie oft bist du denn schon geflogen?
    - Noch nie. Aber trotzdem. Statistisch gesehn kann gar nichts passiern. Daß ein und diesselbe Gesellschaft zweimal nacheinander abstürzt, ist praktisch unmöglich. Das ist so unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto, wie Weihnachten und Ostern an einem Tag, wie eine U-Bahn-Kontrolle, wenn man einen Fahrschein hat. Wie wenn das alles drei zusammenkommt, so wahrscheinlich ist das. Praktisch unmöglich.
    - Naja, manchmal passiert's doch.
    - Jaja, erzähl du nur, mir machst du keine Angst.
    Gern hätte ich bei diesem Satz überzeugend ausgesehen, aber blöderweise zittert meine Hand so sehr, daß ich mir den heißen Milchkaffee über die Hand und dann auf die Hose schütte. Ich will einen Schmerzensschrei ausstoßen, aber dann merke ich, daß der Schmerz für einen kurzen Moment die Angst verdrängt hat. Ein angenehmes Gefühl. Ich schütte noch etwas von dem heißen Kaffee über meine Hand und genieße die kurzen angstfreien Sekunden. Ich lächle.
    Dann frage ich Thomas, ob es okay ist, wenn ich ihm das Geld, das er mir gerade für die Reise gepumpt hat, im April zurückzahle.
    Er legt mir eine testamentarische Verfügung vor und winkt die Kellnerin heran, damit sie meine Unterschrift bezeugen kann. »Versteh das bitte nicht falsch.« Ich nicke und schütte mir den restlichen Milchkaffee über die Hand. Das tut gut.
    Noch drei Tage bis zum Abflug. Die letzten drei Tage. Ich überlege, was ich noch unbedingt in meinem Leben tun will. Mir fällt nix ein. Naja, vielleicht mal richtig ausschlafen. Auja, das macht bestimmt Spaß. Lege mich ins Bett und warte ab. Kann nicht einschlafen. Verdammt. Wenn es etwas gibt, was ich immer sehr gut konnte, dann war das einschlafen. Manchmal mitten im Satz. Die Gesprächspartner sind dann zwar manchmal ein wenig irritiert, viele finden das unhöflich. Aber das heißt noch lange nicht, daß ich deshalb irgendwie ein unhöflicher Klotz wäre, oder so. Nein, direkt vorm Einschlafen findet in mir immer noch der totale innere Kampf statt: »Mensch Horst, kannste das machen, so mitten im Satz wegdösen, kriegt der andere das nicht

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