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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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politische und landwirtschaftliche System der Maya bewährte sich im ganzen Tiefland jahrhundertelang, bis in Dos Pilas der Niedergang einsetzte. Während des achten Jahrhunderts tauchten neue Stelen auf, auf denen das kreative Temperament individueller Bildhauer durch einen gleichgeschalteten, militärischen Stil ersetzt wurde. Protzige Hieroglyphen, die in jede Stufe einer aufwendigen Tempeltreppe gemeißelt sind, berichten von Siegen über Tikal und andere Zentren, deren Steinskulpturen durch die von Dos Pilas ersetzt wurden. Zum ersten Mal wurde Land erobert.
    Durch strategische Allianzen mit anderen rivalisierenden Maya-Stadtstaaten entwickelte sich Dos Pilas zu einer aggressiven Macht, deren Einfluss sich entlang des Pasión-Tals bis zur heutigen mexikanischen Grenze erstreckte. Seine Kunsthandwerker stellten Stelen auf, die einen triumphierenden k 'uhul ajaw von Dos Pilas zeigen, wie er einen nackten, besiegten König unter seinen Stiefeln aus Jaguarfell zertritt. Die Herrscher von Dos Pilas trugen fabelhafte Reichtümer zusammen. In Höhlen, die seit tausend Jahren kein menschlicher Fuß betreten hatte, fanden Demarest und seine Kollegen bunte Schmuckkrüge, gefüllt mit Jade, Feuerstein und den Überresten von Menschenopfern. In den Gräbern lagen königliche Tote, die man mit den Mündern voll Jade bestattet hatte.
    760 umfasste das Gebiet, das sie und ihre Verbündeten kontrollierten, mehr als die dreifache Fläche eines normalen Maya-Reiches. Doch nun verbarrikadierten sie ihre Städte hinter Palisaden und verbrachten einen Großteil ihrer Regierungszeiten hinter Schutzwällen. Eine bemerkenswerte Entdeckung gibt Aufschluss über das Ende von Dos Pilas selbst.
    Nach einer unerwarteten Niederlage wurden keine selbstverherrlichenden Monumente mehr errichtet. Stattdessen flohen die Bauern, die auf konzentrischen Feldern rings um die Stadt lebten, aus ihren Häusern und errichteten ein notdürftiges Flüchtlingsdorf auf dem Festplatz. Wie groß ihre Panik war, lässt sich an den Barrikaden ersehen, die sie um ihre Behelfsunterkünfte errichteten: Für das Material plünderten sie das Grab eines k'uhul ajaw und den Hauptpalast, zerstörten den dazugehörigen Tempel und verstärkten mit seinem Schutt ihr Bollwerk. Das war so, als würde man heute das Washington Monument und das Lincoln Memorial einreißen, um eine Zeltstadt auf der Capitol Mall zu befestigen. Noch schlimmer wurde die Entweihung, als der Wall alle anderen Bauwerke einschließlich der Treppe mit den triumphierenden Hieroglyphen überragte.
    Waren diese rohen Barrikaden möglicherweise viel später errichtet worden? Die Antwort auf diese Frage gaben die Fassadensteine, welche die Archäologen in direktem Kontakt mit der Treppe fanden – ohne Erde dazwischen. Die hatten die Bürger von Dos Pilas, entweder ernüchtert oder sogar äußerst empört über ihre einstigen machtgierigen Herrscher, selbst angefertigt. Sie begruben die wunderbare, hieroglyphengeschmückte Treppe so tief, dass niemand von ihrer Existenz wusste, bis ein Wissenschaftler der Vanderbilt University sie 1200 Jahre später entdeckte.
     
    Hat die wachsende Bevölkerung den Boden durch Raubbau so ausgelaugt, dass die Herrscher von Petexbatún in Versuchung kamen, das Land der Nachbarn zu annektieren, sodass eine Folge von Reaktionen und Gegenreaktionen zu einem katastrophalen Krieg eskalierte? Wenn überhaupt, so meint Demarest, verhielt es sich umgekehrt: Ein unersättliches Verlangen nach Reichtum und Macht verwandelte die Herrscher in Aggressoren. Das provozierte Vergeltungsmaßnahmen, welche die Städte des Reiches dazu zwangen, die Felder an der Peripherie aufzugeben und die Erträge der inneren Felder zu steigern, bis der Boden schließlich völlig ausgelaugt war.
    »Die Gesellschaft hatte zu viele Eliten hervorgebracht, die es alle nach exotischem Luxus verlangte.« Er schildert eine Kultur, die unter der Last einer viel zu umfangreichen Adelskaste und deren unersättlichem Verlangen nach Quetzalfedern, Jade, Obsidian, Hornstein, bunten Gebrauchsgegenständen, ausgefallenen Dachgesimsen und Pelzen ächzte und wankte. Eine Adelskaste ist kostspielig, unproduktiv und parasitär; um ihre extravaganten Bedürfnisse zu befriedigen, entzieht sie der Gesellschaft zu viel Energie.
    »Zu viele Erben erhoben Anspruch auf Throne oder verlangten rituelle Blutopfer, um ihre Erhabenheit unter Beweis zu stellen. Daher nahmen die dynastischen Kriege zu.« Wenn mehr Tempel gebaut werden

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