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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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Riochuelo Petexbatún nach Dos Pilas, der ersten von sieben größeren Fundstätten, die Demarests Team entdeckte, führt stundenlang durch undurchdringliches moskitoverseuchtes Ranken- und Lianendickicht, bis er schließlich einen steilen Hang überwindet. In verbliebenen Waldgebieten, die noch nicht von Holzdieben heimgesucht wurden, wachsen auf den dünnen tropischen Böden über Peténs Kalkstein riesige Zedern-, Kapok-, Mahagoni-, Bortnuss- und Chicle-Saft liefernde Breiapfelbäume. Am zerklüfteten Rand des Berghangs haben die Maya Städte gebaut, die, wie Arthur Demarests Archäologen herausgefunden haben, das zusammenhängende Königreich Petexbatún bildeten. Die Hügel und Grate, die der Betrachter jetzt wahrnimmt, sind in Wirklichkeit Pyramiden und Wälle, die aus dem heimischen Kalkstein erbaut wurden, indem man mit Hornsteinäxten passende Blöcke formte. Heute ist das alles mit einer dicken Schicht Erde und Regenwald bedeckt.
    Der Dschungel, der Dos Pilas umgibt und von plappernden Tukanen und Papageien bevölkert ist, war bei seiner Entdeckung in den fünfziger Jahren so dicht, dass siebzehn Jahre vergingen, bis jemand in dem nahe gelegenen Hügel eine knapp 70 Meter hohe Pyramide erkannte. Für die Maya waren Pyramiden in der Tat nachgebildete Berge und in den behauenen Monolithen, den Stelen, sahen sie Bäume. Die aus eingemeißelten Punkten und Strichen bestehenden Schriftzeichen auf den Stelen, die um Dos Pilas ausgegraben wurden, berichten, dass um 700 n. Chr. ihr k'uhul ajaw – »göttlicher König« – die Regel des begrenzten Konflikts brach und begann, die Stadtstaaten des benachbarten Petexbatún zu usurpieren.
    Eine bemooste Stele zeigt ihn im vollen Kopfschmuck, einen Schild am Arm, wie er auf dem Rücken eines gefesselten Gefangenen steht. Bevor die Gesellschaft erste Auflösungstendenzen zeigte, richteten sich Maya-Kriege häufig nach astrologischen Zyklen. Auf den ersten Blick mögen diese Konflikte außerordentlich grausam erscheinen. Nahm man ein männliches Mitglied der feindlichen Königsfamilie gefangen, wurde es, manchmal jahrelang, auf demütigende Weise zur Schau gestellt. Schließlich riss man ihm das Herz heraus, schlug ihm den Kopf ab oder folterte es zu Tode. In Dos Pilas rollte man ein bedauernswertes Opfer zu einer Kugel zusammen, fesselte es so und benutzte es dann als Ball, bis seine Wirbelsäule gebrochen war.
    »Und doch«, berichtet Demarest, »gab es relativ wenige gesellschaftliche Traumen, keine Verwüstung von Feldern oder Gebäuden, keine Territorien, die annektiert wurden. Die Opfer, die das klassische Maya-Ritual forderte, waren minimal. Es diente zur Bewahrung des Friedens durch fortwährende, gemäßigte Kriegführung zwischen den Führern, ohne die Landschaft in Mitleidenschaft zu ziehen.«
    Zwischen Wildnis und Kulturlandschaft herrschte ein dynamisches Gleichgewicht. An den Berghängen fingen Mauern aus dicht gepackten Steinen den ausgewaschenen Mutterboden auf, um ihn auf den terrassierten Feldern, die heute unter tausend Jahre altem Schwemmland liegen, wieder auszubringen. Am Rande von Seen und Flüssen gruben die Maya Entwässerungsgräben zur Trockenlegung von Sümpfen, wobei sie mit dem ausgehobenen Boden fruchtbare, erhöhte Felder anlegten. Vor allem aber ahmten sie den Regenwald nach, indem sie beim Anbau ihrer Feldfrüchte für abgestuften Schatten sorgten. Auf dem Erdboden rankende Melonen und Kürbisse wurden von Mais- und Bohnenreihen beschattet; diese wiederum wurden von Obstbäumen beschirmt, und zwischen den Feldern selbst hatte man zu deren Schutz kleine Bauminseln stehen lassen. Zum Teil war das einem glücklichen Zufall zu verdanken: Ohne Kettensägen mussten die Maya die größten Bäume unbehelligt lassen.
    Doch genau dies unterbleibt heute in den nahe gelegenen Dörfern der Landbesetzer entlang der Holzwege, auf denen Zedern- und Mahagonistämme mit Tiefladern abgefahren werden. Die Siedler, Maya-K'ichi'-sprechende Flüchtlinge aus dem Hochland, flohen vor Antiterrortruppen, die in den achtziger Jahren Tausende von Guatemalteken töteten. Da sich der Wanderackerbau mittels Brandrodung, der sich im vulkanischen Gebirge bewährt hatte, im Regenwald als verheerend erwies, waren diese Menschen schon bald von wachsendem Ödland umgeben, auf dem nur verkrüppelte Maiskolben wuchsen. Um die Einheimischen daran zu hindern, alle seine Fundstätten zu plündern, stellt Demarest Geldmittel für Ärzte und Arbeitsplätze zur Verfügung.
    Das

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