Die Welt ohne uns
gäbe und wir nie wieder ein Molekül einer Kohlenstoffverbindung in den Himmel bliesen, müsste trotzdem erst einmal ablaufen, was wir bereits in Gang gesetzt haben.
Zu den Dingen, die uns noch lange überdauern werden, gehört auch die von uns veränderte Atmosphäre. Tyler Volk lehrt als Architekt am biologischen Fachbereich der New York University atmosphärische Physik und Meereschemie. Seiner Ansicht nach benötigt er alle diese Disziplinen, um zu beschreiben, wie die Menschen die Atmosphäre, die Biosphäre und die Ozeane zu etwas gemacht haben, was zuvor nur Vulkane und kollidierende Kontinentalplatten zustande gebracht hatten.
Volk ist ein schlaksiger Mann mit gelocktem Haar und Augen, die sich zu schmalen Schlitzen zusammenziehen, wenn er überlegt. An der Wand seines Büros hängt ein überdimensionales Poster, auf dem Atmosphäre und Weltmeere als ein einziges Fluid mit Schichten wachsender Dichte dargestellt sind. Noch vor 200 Jahren löste sich das Kohlendioxid aus dem oberen gasförmigen Teil dieses Fluids in dem flüssigen Teil darunter mit gleichbleibender Rate auf, was die Welt im Gleichgewicht hielt. Jetzt, angesichts der extrem hohen CO 2 -Konzentrationen, muss sich das Meer anpassen. Doch da es so riesig ist, braucht das seine Zeit.
»Nehmen wir an, es gibt keine Menschen mehr, die noch weiter Brennstoff verfeuern«, sagt Volk. »Zunächst wird die Meeresoberfläche das CO 2 rasch absorbieren. Sobald sie gesättigt ist, verlangsamt sich dieser Prozess. Einen Teil des CO 2 gibt das Meer an photosynthetisierende Organismen ab. Im Zuge der Umwälzung der Wassermassen sinkt das CO 2 ab, während alte, ungesättigte Wasserschichten aus den Tiefen emporsteigen und die gesättigten ersetzen.«
Eine solche Umwälzung, Turnover genannt, dauert tausend Jahre, stellt aber die vorindustrielle Reinheit der Erde noch nicht wieder her. Meer und Atmosphäre befinden sich zwar in größerem Gleichgewicht, sind aber beide noch mit CO 2 überladen. Gleiches gilt für das Festland, wo überschüssiger Kohlenstoff von Boden, Tieren und Pflanzen zwar absorbiert, schließlich aber wieder freigesetzt wird. Wo kann er also hin? »Normalerweise«, sagt Volk, »ist die Biosphäre wie ein umgedrehtes Marmeladenglas: Oben ist es, von ein paar Meteoriten abgesehen, gegen alle zusätzliche Materie praktisch abgeschlossen. Unten ist der Deckel ein wenig offen – für Vulkane.«
Das Problem liegt darin, dass wir, indem wir die Kohlenvorräte, die das CO 2 binden, abbauen und in den Himmel schleudern, einen Vulkan geschaffen haben, der sich seit dem 18. Jahrhundert in einem Zustand der Dauereruption befindet.
Als Nächstes tut die Erde, was sie immer tut, wenn Vulkane zusätzlichen Kohlenstoff in das System einspeisen. »Der Kreislauf der Gesteine kommt ins Spiel. Aber der braucht viel mehr Zeit.« Silikate wie Feldspat und Quarz, die den größten Teil der Erdkruste stellen, verwittern allmählich durch Kohlensäure, die sich aus Regen und Kohlendioxid bildet, und verwandeln sich in Karbonate. Die Kohlensäure löst auch den Boden und die Mineralien auf, die Kalzium ins Grundwasser freisetzen. Flüsse tragen das Kalzium ins Meer, wo es in Form von Muschelschalen ausgefällt wird. Das ist ein langsamer Prozess, der allenfalls durch die stärker schwankenden Klimaverhältnisse in der belasteten Atmosphäre etwas beschleunigt wird.
»Schließlich«, so Volk, »wird der geologische Kreislauf das CO 2 wieder auf das Niveau vor der Existenz des Menschen reduzieren. Das wird etwa 100000 Jahre dauern.«
Vielleicht nimmt es auch noch mehr Zeit in Anspruch: Zum einen befürchtet man, dass die Meere, wenn sie sich stärker erwärmen, mehr CO 2 ausscheiden, als sie absorbieren können. Zum anderen, dass die Panzer der kleinen Meerestiere, in denen das CO 2 eingeschlossen wurde, von der erhöhten CO 2 -Konzentration in den oberen Wasserschichten wieder aufgelöst werden könnten. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Bis zu 90 Prozent des zusätzlichen Kohlendioxids sollten während der ersten tausendjährigen Turnover-Phase des Meeres absorbiert werden, was hieße, dass sich nur noch 10 bis 20 ppm (millionstel Teile) zusätzlich zu den 280 ppm des vorindustriellen Niveaus in der Atmosphäre befänden.
Der Unterschied zwischen dieser Konzentration und den heutigen 380 ppm bedeutet laut Forschern, die dem arktischen Eis zehn Jahre lang Bohrproben entnommen haben, dass zumindest während der nächsten 15000 Jahre kein Vormarsch
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