Die Welt ohne uns
die einst von den Lenape gepflückt worden sind.
Mitten in dem Schutt von Manhattans Finanzinstituten, die in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes ein für allemal zusammengebrochen sind, stehen noch einige Tresorgewölbe; das Geld darin ist zwar verschimmelt, aber noch vorhanden, wenn auch völlig wertlos. Anders verhält es sich mit den Kunstwerken in Museen, wo die Regulierung von Luftfeuchtigkeit und Temperatur eine größere Rolle spielt als die Sicherheit. Ohne Elektrizität fallen diese Instrumente aus; irgendwann werden die Museumsdächer durchlässig, meist beginnt es mit den Oberlichtern, und in den Kellern sammelt sich das Wasser. Da Luftfeuchtigkeit und Temperatur nun großen Schwankungen unterliegen, sind alle Objekte in den Magazinen Schimmelpilzen, Bakterien und einer gefürchteten Museumsplage ausgesetzt, dem Dunklen Pelzkäfer. Auf diese Weise entfärben und zersetzen sie schließlich auch alle Gemälde im Metropolitan Museum of Art.
Korrosion hat die Patina auf Bronzestatuen dicker werden lassen, aber nicht ihre Form beeinträchtigt. »Diesem Umstand verdanken wir unsere Kenntnisse über die Bronzezeit«, meint Barbara Appelbaum, Kunstkonservatorin in Manhattan.
Selbst wenn die Freiheitsstatue auf dem Grund des Hafens liege, so Appelbaum, werde ihre Form unbegrenzt erhalten bleiben, wenn auch chemisch etwas verändert und unter einer dicken Muschelkruste. Ein sicherer Platz, verglichen damit, dass irgendwann in einigen tausend Jahren alle Steinmauern, die noch stehen – vielleicht Teile der St. Paul's Chapel in der Wall Street, die 1766 auf Manhattans Schieferboden erbaut wurde –, einstürzen müssen. Während der letzten hunderttausend Jahre wurde das Areal von New York dreimal von Gletschern vollkommen sauber geschabt. Wenn der faustische Pakt der Menschheit zur Nutzung der fossilen Brennstoffe nicht damit endet, dass er die Erdatmosphäre unwiderruflich zum Kippen bringt und die unaufhaltsame globale Erwärmung die Erde in eine zweite Venus verwandelt, werden die Gletscher zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt wiederkehren. Der Hochwald wird niedergemäht. Die vier riesigen Hügel auf Staten Island, mit Erdreich kaschierte Müllhaufen der Deponie Fresh Kills, werden platt gewalzt und ihre ungeheure Ansammlung von unverwüstlichem PVC-Kunststoff und Glas, eine der dauerhaftesten Schöpfungen des Menschen überhaupt, wird zu Staub zermahlen.
Wenn sich das Eis wieder zurückgezogen hat, wird sich in den Endmoränen und möglicherweise auch in den geologischen Schichten darunter eine unnatürliche Konzentration eines rötlichen Metalls finden, das kurzzeitig die Form elektrischer Kabel und Rohrleitungen angenommen hatte, bevor es der Erde zurückgegeben wurde. Der nächste Werkzeugmacher, der auf diesem Planeten auftauchen wird, könnte vielleicht etwas damit anfangen, doch zu diesem Zeitpunkt wird nichts mehr darauf hindeuten, dass wir es waren, die es schon einmal benutzt haben.
4 Die Welt unmittelbar vor uns
Ein zwischeneiszeitliches Intermezzo
Seit mehr als einer Milliarde Jahre schieben sich große Eiskappen von den Polen aus vor, manchmal so weit, dass sie sich am Äquator treffen, und ziehen sich wieder zurück. Das liegt unter anderem an der Kontinentaldrift, der leicht exzentrischen Bahn der Erde, ihrer schlingernden Achse und an den Schwankungen der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre. Während der letzten Millionen Jahre, in denen die Kontinente schon weitgehend ihre heutigen Positionen eingenommen hatten, traten die Eiszeiten ziemlich regelmäßig auf und dauerten 100000 Jahre und mehr, während die wärmeren Zwischeneiszeiten im Durchschnitt 12 000 bis 28 000 Jahre anhielten.
Der letzte Gletscher zog sich vor 11000 Jahren aus dem Gebiet von New York zurück. Unter normalen Bedingungen wäre der nächste, der Manhattan einebnen würde, jeden Tag zu erwarten, obwohl die Zweifel daran wachsen, dass er planmäßig eintrifft. Viele Wissenschaftler vermuten, dass die gegenwärtige Zwischeneiszeit erheblich länger andauern wird, bevor der nächste große Kälteeinbruch eintritt, weil es uns gelungen ist, das unvermeidliche Ereignis dadurch hinauszuschieben, dass wir den Schutzschild unserer Atmosphäre mit zusätzlichem Isolationsmaterial aufgefüllt haben. Vergleiche mit alten Blasen in antarktischen Eisbohrkernen zeigen, dass die Luft gegenwärtig mehr CO 2 enthält als während der vergangenen 650000 Jahre. Auch wenn es die Menschen morgen nicht mehr
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