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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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Kaktusfleisch zu gelangen.
    In Gombe hat sich offenbar der umgekehrte Vorgang vollzogen. Als irgendwann neuer Wald die Barriere füllte, welche die beiden Arten einst trennte, teilten sie sich unversehens dieselbe Nische. Anschließend wurden sie gemeinsam isoliert, weil der Wald in der Umgebung des Gombe-Nationalparks durch Anbaugebiete für Maniok ersetzt wurde. »Als die Zahl verfügbarer Paarungspartner der eigenen Art zurückging«, so Detwilers Vermutung, »griffen diese Tiere zu verzweifelten – oder kreativen – Überlebensmaßnahmen.«
    Ihre These lautet, dass die Hybridisierung zweier Arten eine Kraft für evolutionäre Neuerungen sein kann, ähnlich der natürlichen Selektion innerhalb einer Art. »Vielleicht ist der gekreuzte Nachwuchs noch nicht so tauglich wie einer der Elternteile«, sagt sie. »Aber egal, was der Grund ist – beengtes Habitat oder geringe Zahl –, das Experiment wird ständig wiederholt, bis schließlich ein Hybride zustande kommt, der so lebensfähig ist wie seine Eltern – oder den Eltern vielleicht sogar überlegen ist, weil der Lebensraum sich verändert hat.«
    Das hieße, dass sich diese Affen unter der Einwirkung von Menschen entwickelt haben: Die Eltern wurden zur Fortpflanzung über Artgrenzen hinweg förmlich gezwungen, als der Ackerbau treibende Homo sapiens Ostafrika zerstückelte; das traf neben den Affen auch Vogelarten wie Würger und Fliegenschnäpper, denen nicht viele Optionen blieben: Sie konnten sich untereinander vermehren, sich mit einer anderen Art kreuzen, untergehen oder aber eine kreative Lösung wählen: etwa eine neue evolutionäre Stufe erklimmen.
    Etwas Ähnliches könnte hier schon einmal geschehen sein. Als der Große Graben sich zu bilden begann, zog sich ein Gürtel tropischen Regenwalds vom Indischen Ozean bis zum Atlantik quer durch Afrika. Es gab bereits Menschenaffen, darunter auch solche, die den Schimpansen in mancherlei Hinsicht ähnelten. Von ihnen hat man bislang keine fossilen Spuren gefunden, und zwar aus dem gleichen Grund, aus dem Überreste von Schimpansen so selten sind: In den Tropenwäldern spülen heftige Regenfälle alle Mineralien fort, bevor irgendetwas versteinern kann. Auch Knochen zersetzen sich rasch. Doch man weiß, dass es diese Art gab, weil die Genetik zeigt, dass wir und die Schimpansen direkt vom gleichen Vorfahren abstammen. Der Anthropologe Richard Wrangham hat diesem noch unentdeckten Affen einen Namen gegeben: Pan prior.
    Prior, das heißt, die Art, die dem Pan troglodyte, dem heutigen Schimpansen, vorausging, aber auch der großen Trockenperiode, die Afrika vor rund sieben Millionen Jahren heimsuchte. Feuchtgebiete zogen sich zurück, Böden trockneten aus, Seen verschwanden und Wälder schrumpften, bis nur noch kleine durch Savannen voneinander getrennte Refugien blieben. Ursache war eine Eiszeit, die von den Polen aus vordrang. Da ein Großteil der auf der Erde vorhandenen Feuchtigkeit in den Gletschern eingeschlossen war, die Grönland, Skandinavien, große Teile Nordamerikas und Russlands unter sich begruben, verdorrte Afrika. Die Gletscher schafften es nicht bis zum schwarzen Kontinent, obwohl sich auf Vulkanen wie dem Kilimandscharo und dem Mount Kenia Eiskappen bildeten. Dennoch lösten die zerstörerischen Kräfte, die in der Ferne wirkten, auch in Afrika einen Klimawandel aus und zerstückelten ein Waldgebiet, das zuvor doppelt so groß wie das heutige Amazonasbecken gewesen war.
    Der ferne Eisschild isolierte Populationen afrikanischer Säugetiere und Vögel in Waldstücken, in denen sie einige Millionen Jahre hindurch ihre Evolution separat fortsetzten. Wenigstens eines dieser Tiere sah sich, wie wir wissen, zu einem wagemutigen Abenteuer veranlasst: einem Ausflug in die Savanne.
    Wenn der Mensch verschwände und schließlich durch ein anderes Geschöpf ersetzt würde, durchliefe es dann die gleiche Entwicklung wie wir? Im Südwesten Ugandas gibt es einen Ort, wo wir die Wiederholung unserer Geschichte in einem Mikrokosmos beobachten können. Der Chambura Gorge ist eine enge, fünfzehn Kilometer lange Schlucht, die sich tief in eine Ablagerung brauner Vulkanasche am Grund des Großen Grabens schneidet. In verblüffendem Gegensatz zu den gelben Ebenen in der Umgebung durchzieht diesen Canyon des Flusses Chambura ein grünes Band aus Harthölzern und anderen tropischen Bäumen. Für Schimpansen ist diese Oase Zuflucht und Schmelztiegel zugleich. Die Schlucht weist zwar eine üppige Vegetation auf, ist

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