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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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aber kaum 500 Meter breit und bietet damit nicht genügend Früchte, um die Nahrungsbedürfnisse aller Affen zu befriedigen. Von Zeit zu Zeit klettern besonders tapfere Schimpansen hoch in die Baumwipfel und springen von dort aus zum Rand der Schlucht, um sich mutig auf den Erdboden zu wagen.
    Da sie sich hier nicht auf Äste schwingen können, um über das Hafer- und Zitronellgras hinwegzusehen, müssen sie sich auf zwei Beine aufrichten. Während sie einen Augenblick in dieser Stellung verharren, halten sie im Schatten der über die Savanne verstreuten Feigenbäume nach Löwen und Hyänen Ausschau. Wenn sie sich überlegt haben, ob sie den nächsten Baum erreichen können, ohne selbst zur Nahrung zu werden, tun sie, was wir selbst einst taten: Sie laufen los.
    Rund drei Millionen Jahre, nachdem ferne Gletscher einige mutige und hungrige Individuen von Pan prior zwangen, die Wälder zu verlassen, die sie nicht mehr ernähren konnten – und einige sich als einfallsreich genug erwiesen, um zu überleben –, erwärmte sich der Planet wieder. Das Eis zog sich zurück. Die Bäume eroberten ihre alten Gebiete zurück, sogar in Island wurden sie heimisch. Afrikas Wälder schlossen sich wieder und reichten erneut von der Atlantikküste bis zum Indischen Ozean, doch zu diesem Zeitpunkt hatte Pan prior bereits die nächste Evolutionsstufe erklommen: Er war der erste Affe, der sich lieber in den grasbestandenen lichten Waldgebieten am Rande des Regenwalds aufhielt. Nachdem er sich mehr als eine Million Jahre auf zwei Beinen fortbewegt hatte, waren seine Beine länger und seine Zehen kürzer geworden. Er konnte nun nicht mehr auf Bäume klettern, doch dank seiner Fähigkeit, nun die Hände zu gebrauchen, erschloss er sich eine Fülle neuer Fertigkeiten auf dem Boden.
    Jetzt waren wir Hominiden. Irgendwo auf dem Weg vom Australopithecus zur Gattung Homo lernten wir nicht nur, den Feuern zu folgen, welche unseren neuen Lebensraum, die Savannen, erweiterten, sondern auch sie selber zu legen.
    Etwa weitere drei Millionen Jahre oder länger waren wir nicht zahlreich genug, um mehr als hier und da Flickenteppiche von Grasland und Wald zustande zu bringen, wenn uns nicht ferne Eiszeiten diese Mühe abnahmen. Doch irgendwann in diesem Zeitraum, lange bevor Pan priors jüngster Nachkomme, der mit dem Beinamen sapiens, auf der Bildfläche erschien, muss unsere Zahl so angewachsen sein, dass wir uns erneut als Pioniere versuchen konnten.
    Waren auch die Hominiden, die Afrika verließen, kühne Abenteurer, die hinter dem Horizont der Savanne auf noch mehr Überfluss hofften? Oder mussten sie ihren Lebensraum verlassen, weil die Überlegenheit anderer Primaten sie dazu zwang?
    Oder nahmen sie, da sie sich unablässig vermehrten, einfach immer neues Land in Besitz, wie jedes Tier, dem sich reichlich Ressourcen bieten, etwa Grasgebiete, die sich bis Asien ausbreiteten? Wie Darwin erkannte, spielte das keine Rolle: Wenn isolierte Gruppen derselben Art unterschiedliche evolutionäre Richtungen einschlagen, lernen die erfolgreichsten unter ihnen, auch in neuen Umgebungen gut zurechtzukommen.
    Ob Vertriebene oder Abenteurer – die Überlebenden breiteten sich erst in Kleinasien und dann in Indien aus. In Europa entwickelten sie eine Fertigkeit, die bei Geschöpfen wie Eichhörnchen längst genetisch programmiert, bei Primaten aber völlig neu war: das Planen, wozu man Gedächtnis und Voraussicht braucht. Man speichert Nahrung in Jahreszeiten des Überflusses, um die kalten Jahreszeiten besser überstehen zu können. Dank einer Landbrücke konnten die Menschen große Teile Indonesiens besiedeln, aber um Neuguinea und, vor rund 50000 Jahren, Australien zu erreichen, mussten sie lernen, mit Booten umzugehen. Vor rund 11000 Jahren entdeckte der aufmerksame Homo sapiens im Nahen Osten etwas, das sich bis dahin nur einige wenige Insektenarten zunutze gemacht hatten: Wie man Nahrungsvorräte anlegt, nicht indem man Pflanzen zerstört, sondern indem man sie anbaut und fördert.
    Wir wissen, dass Weizen und Gerste, die sich später rasch entlang des Nils nach Süden ausbreiteten, zunächst im Nahen Osten angebaut wurden, und können daher vermuten, dass jemand mit Samen und Ackerbaukenntnissen von dort in die afrikanische Heimat zurückgekehrt ist. Es war ein günstiger Zeitpunkt dafür, denn abermals hatte eine Eiszeit – die letzte – den Regionen, welche die Gletscher nicht erreichten, die Feuchtigkeit entzogen und dort die Nahrungsmittel knapp

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