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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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nicht vor«, sagt Tony Andrady. »Kunststoffe gibt es noch nicht so lange auf unserem Planeten, dass die Mikroorganismen Zeit gehabt hätten, Enzyme für den Umgang mit ihnen zu entwickeln, daher können sie nur die Teile des Kunststoffs mit sehr geringem Molekulargewicht abbauen« – die kleinsten, bereits gebrochenen Polymerketten. Obwohl es inzwischen wirklich biologisch abbaubare Kunststoffe aus natürlichen Pflanzenzuckern und von Bakterien erzeugte Polyester gibt, haben sie kaum Aussichten, die petrochemischen Originale zu ersetzen.
    »Da Verpackungen Nahrungsmittel vor Bakterien schützen sollen«, meint Andrady, »ist es womöglich keine besonders kluge Idee, Speisereste zur Aufbewahrung in Kunststoffe einzuwickeln, die Mikroorganismen ermuntern, sie zu fressen.«
    Doch selbst wenn das klappte oder wenn die Menschen verschwänden und nie wieder ein weiteres Kunststoffpellet hergestellt würde, bliebe doch all der bereits produzierte Kunststoff erhalten. Wie lange?
    »Die ägyptischen Pyramiden haben Getreide, Saatgut und sogar menschliche Körperteile wie etwa Haare konserviert, weil sie von Sonnenlicht ganz und von Sauerstoff und Feuchtigkeit weitgehend abgeschirmt waren«, sagt Andrady, ein sanfter Mensch mit einer knappen, überlegten Sprechweise. »Unsere Mülldeponien sind gar nicht so verschieden. Kunststoff, der vergraben liegt, wo es wenig Wasser, Sonne oder Sauerstoff gibt, kann lange Zeit unbeeinträchtigt fortbestehen. Das gilt auch für den Fall, dass er im Meer versunken und von Sediment bedeckt ist. Am Meeresgrund gibt es keinen Sauerstoff und es ist sehr kalt.«
    »Natürlich wissen wir nicht viel über die Mikrobiologie in diesen Tiefen«, fügt er hinzu, »möglicherweise können ihn dort anaerobe Organismen abbauen. Das wäre denkbar. Aber bislang hat noch niemand ein U-Boot runtergeschickt, um es zu überprüfen. Unsere Beobachtungen sprechen dagegen, es ist unwahrscheinlich. Daher erwarten wir einen sehr viel langsameren Abbau am Meeresboden. Um eine Größenordnung langsamer.«
    Eine Größenordnung – das ist das Zehnfache. Das Zehnfache wovon? Eintausend Jahren? Zehntausend?
    Niemand weiß es, weil bislang kein Kunststoff einen »natürlichen Tod« gefunden hat. Die Mikroorganismen, die heute Kohlenwasserstoffe in ihre Bestandteile zerlegen, brauchten nach dem ersten Auftreten von Pflanzen noch einen langen Zeitraum, um den Verzehr von Lignin und Zellulose zu lernen. In jüngerer Zeit haben sie sogar gelernt, Öl zu fressen. Doch bisher kann noch kein Stamm Plastik verdauen, denn 50 Jahre sind zu wenig, um die erforderlichen biochemischen Mechanismen zu entwickeln.
    »Doch geben wir ihnen 100000 Jahre«, sagt Andrady, der Optimist. »Ich bin sicher, es werden sich viele Arten von Mikroorganismen finden, deren Gene sie zu diesem höchst vorteilhaften Tun befähigen, daher werden sie gedeihen und sich vermehren. Es wird zwar Hunderttausende von Jahren dauern, die heutige Menge von Kunststoff zu verzehren, doch irgendwann wird alles biologisch abgebaut sein. Lignin ist ein viel komplexeres Molekül und wird trotzdem biologisch abgebaut. Wir müssen der Evolution nur die Zeit lassen, die sie braucht, um mit den Stoffen, die wir herstellen, Schritt zu halten.«
    Und sollte die biologische Zeit nicht reichen, bleibt immer noch die geologische Zeit.
    »Die Hebungen des Meeresbodens und Drücke werden ihn in etwas anderes verwandeln. So wie die Bäume, die vor langer Zeit im Moor versanken – der geologische Prozess, nicht der biologische Abbau, hat sie in Öl und Kohle verwandelt. Vielleicht wird hohen Kunststoffkonzentrationen ein ähnliches Schicksal beschieden sein. Irgendwann werden sich auch diese Stoffe verändern. Veränderung ist das Kennzeichen der Natur. Nichts bleibt, wie es ist.«

10    Der Ölfleck
     
    Nach dem Ende der Menschheit werden die Stechmücken zu den unmittelbaren Nutznießern unseres Verschwindens gehören. Obwohl unsere anthropozentrische Weltsicht uns vielleicht vorgaukeln mag, menschliches Blut sei unentbehrlich für das Überleben von Stechmücken, haben wir es hier mit einer Familie höchst vielseitiger Feinschmecker zu tun, die sich vom Lebenssaft warmblütiger Säugetiere, kaltblütiger Reptilien und sogar der Vögel ernähren können. Nach uns wird vermutlich auf unsere verwaisten Lebensräume ein Ansturm vieler wild lebender Tiere einsetzen, die bestrebt sind, sich dort häuslich einzurichten. Wenn ihre Zahl nicht länger durch den todbringenden

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