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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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seine Berufspläne: Statt in die Gummibranche zu gehen, begann er sich für die boomende Kunststoffindustrie zu interessieren. Das Ergebnis war ein 800-Seiten-Opus – Plastics and the Environment –, das ihm den Beifall der Industrie wie der Umweltverbände eintrug und ihn als Autorität auf diesem Fachgebiet auswies.
    Die langfristige Prognose für Kunststoffe sei, so teilte Andrady den versammelten Meereswissenschaftlern mit, genau das: langfristig. Es sei keine Überraschung, dass die Kunststoffe eine solche dauerhafte Schweinerei auf den Weltmeeren angerichtet hätten. Ihre Elastizität, ihre Vielseitigkeit (sie können entweder untergehen oder schwimmen), der Umstand, dass sie im Wasser fast unsichtbar sind, ihre Haltbarkeit und überlegene Festigkeit haben dafür gesorgt, dass die Hersteller von Fischernetzen und Angelleinen Naturfasern zugunsten von synthetischen Stoffen wie Nylon und Polyethylen aufgegeben haben. Jene zerfallen mit der Zeit, diese setzen, selbst wenn sie zerrissen und verloren gegangen sind, die Fischerei als »Geisternetze« noch fort. Infolgedessen läuft praktisch jedes Meereslebewesen, auch der Wal, Gefahr, sich in einem der großen, frei im Wasser treibenden ehemaligen Netze zu verfangen.
    Wie jeder Kohlenwasserstoff, so Andrady, wird auch Kunststoff »irgendwann biologisch abgebaut, aber so langsam, dass es sich praktisch kaum auswirkt. Allerdings kann der fotochemische Abbau in einem vernünftigen Zeitrahmen stattfinden.«
    Er erläuterte: Wenn Kohlenwasserstoffe biologisch abgebaut werden, zerfallen ihre Polymermoleküle in die Bestandteile, durch deren Zusammenschluss die Kohlenwasserstoffe ursprünglich entstanden: Kohlendioxid und Wasser. Wenn sich der Abbau fotochemisch vollzieht, schwächt die ultraviolette Sonnenstrahlung die Zugfestigkeit des Kunststoffs durch Zerlegung seiner langen Polymerketten in kürzere Segmente. Da die Festigkeit der Kunststoffe von der Länge ihrer verflochtenen Polymerketten abhängt, beginnt Kunststoff zu zerfallen, wenn er UV-Strahlen ausgesetzt ist.
    Jeder hat schon einmal gesehen, wie Polyethylen und andere Kunststoffe im Sonnenlicht vergilben, brüchig werden und abzublättern beginnen. Häufig werden Kunststoffe mit Zusatzstoffen behandelt, um sie UV-resistenter zu machen; andere Additive wiederum können die UV-Empfindlichkeit erhöhen. Würde man diese für Sixpackringe verwenden, könnte man, so Andrady, das Leben vieler Meereslebewesen retten.
    Dabei gibt es allerdings zwei Probleme. Zum einen braucht Kunststoff im Wasser viel länger für den fotochemischen Abbau. An Land nimmt Kunststoff in der Sonne infrarote Wärme auf und ist bald viel heißer als die umgebende Luft. Im Meer wird er nicht nur vom Wasser gekühlt, sondern vom Algenbewuchs auch gegen das Sonnenlicht abgeschirmt.
    Ein weiterer Haken liegt darin, dass, selbst wenn sich ein frei umhertreibendes Fischernetz aus fotochemisch abbaubarem Kunststoff auflöst, bevor es irgendwelche Delfine ertränken kann, dies auf Jahrhunderte, möglicherweise sogar Jahrtausende nichts an seiner chemischen Beschaffenheit ändert.
    »Plastik bleibt Plastik. Der Stoff ist und bleibt ein Polymer. Polyethylen lässt sich biologisch in keinem vernünftigen Zeitrahmen abbauen. Es gibt in der Meeresumwelt keinen Mechanismus, der ein so langes Molekül biologisch abbauen kann.« Selbst wenn fotomechanisch abbaubare Fischernetze dem Überleben der Meeressäuger zuträglich wären, so meinte Andrady abschließend, blieben ihre pulverförmigen Restbestände im Meer, wo sie von den Filtrierern aufgenommen würden.
     
    »Von der kleinen Menge abgesehen, die verbrannt worden ist«, sagt Tony Andrady, »ist noch jedes Stück Kunststoff erhalten. Es befindet sich irgendwo in der Umwelt.«
    Die Gesamtproduktion dieses halben Jahrhunderts beträgt heute mehr als eine Milliarde Tonnen. Sie umfasst Hunderte von verschiedenen Kunststoffen mit unzähligen Modifikationen durch Zugabe von Weichmachern, Trübungsmitteln, Farben, Füllstoffen, Festigern und Lichtstabilisatoren. Deren Langlebigkeit ist individuell höchst unterschiedlich. Bislang ist noch keiner verschwunden. Die Forscher haben versucht herauszufinden, wie lange der biologische Abbau von Polyethylen dauert, indem sie eine kleine Probe einer lebenden Bakterienkultur in einem Brutapparat überließen. Ein Jahr später war noch nicht einmal ein Prozent verschwunden.
    »Und das unter idealen, kontrollierten Laborbedingungen. Die kommen im wirklichen Leben

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