Die Welt ohne uns
machen.
Anfangs hatte es den Anschein, als würde sich das Verbot der PCBs bewähren: Rothamsteds Archiv zeigt deutlich, dass sie während der achtziger und neunziger Jahre im Boden kontinuierlich seltener werden, bis sie im neuen Jahrtausend praktisch auf dem vorindustriellen Stand angekommen sind. Leider stellt sich heraus, dass sie nur aus den gemäßigten Zonen, wo man sie verwendete, davongetragen wurden, bis sie auf die kalten Luftmassen der Arktis und Antarktis stießen, wo sie wie Steine zu Boden fielen.
Das Ergebnis sind erhöhte PCB-Werte in der Milch stillender Eskimo- und Samenfrauen sowie im Fettgewebe von Robben und Fischen. Zusammen mit anderen an den Polen konzentriert auftretenden POPs – »persistenten organischen Schadstoffen« – wie polybromierten Diphenylether-Flammschutzmitteln (PBDEs) werden die PCBs verdächtigt, für die wachsende Zahl von Zwittern unter Eisbären verantwortlich zu sein. Weder PCBs noch PBDEs gab es, bevor die Menschen sie in die Welt setzten. Sie bestehen aus Kohlenwasserstoffen, die mit Elementen aus der hochreaktiven Gruppe der Halogene, etwa Chlor und Brom, Verbindungen eingegangen sind.
Das Akronym POPs klingt bedauerlich unbeschwert, denn diese Stoffe sind alle äußerst ernst zu nehmen, war doch das Prinzip, das ihrer Entwicklung zugrunde lag, hohe Stabilität. PCBs sollten Flüssigkeiten möglichst lange schmierfähig halten; PBDEs sind Isolatoren, die Kunststoffe möglichst lange am Schmelzen hindern sollten; DDT ist ein Pestizid, das möglichst lange töten sollte. Daher sind sie nur schwer zu vernichten; einige, wie die PCBs, lassen kaum oder gar nicht erkennen, dass sie biologisch abbaubar sind.
Wenn die künftige Flora unsere Metalle und POPs während der nächsten Jahrtausende recycelt, werden sich einige Pflanzen als tolerant erweisen; unter anderem werden sie sich dem metallischen Beigeschmack des Bodens anpassen, wie es die Blattpflanzen in der Umgebung der Yellowstone-Geysire getan haben (auch wenn sie dafür Jahrmillionen brauchten). Andere jedoch werden – wie einige von uns Menschen – an Blei-, Selen- oder Quecksilbervergiftung sterben. Manche von denen, die zugrunde gehen, werden die schwachen Mitglieder einer Art sein, die insgesamt aus dem Selektionsprozess für ein neues Merkmal, etwa Quecksilberoder DDT-Toleranz, gestärkt hervorgehen wird. Andere Arten dagegen werden ganz durch das Selektionsraster fallen und aussterben.
Nachdem wir verschwunden sind, werden die Effekte all der Dünger, die wir auf unsere Äcker ausgebracht haben, seit John Lawes sie entwickelte, von unterschiedlicher Dauer sein. Einige Böden, deren pH-Werte sanken, als sich die Nitrate zu Salpetersäure auflösten, erholen sich vielleicht im Laufe von Jahrzehnten. Andere, etwa diejenigen, in denen natürliches Aluminium giftige Konzentrationen erreicht, werden überhaupt keine Pflanzen mehr tragen, bis altes Laub und Mikroorganismen für neuen Nährboden sorgen.
Die schlimmste Wirkung aber entfalten heute Phosphate und Nitrate nicht auf den Feldern, sondern dort, wohin deren Feuchtigkeit abfließt. Noch ein- bis zweitausend Kilometer talwärts ersticken Seen und Flussdeltas unter überdüngten Wasserpflanzen. Aus bloßem Schaum auf Teichen werden tonnenschwere Algenblüten, die dem Süßwasser so viel Sauerstoff entziehen, dass alle Lebewesen darin verenden. Wenn die Algen absterben, verstärkt ihr Fäulnisprozess das Ganze noch. Kristallklare Lagunen verwandeln sich in schweflige Schlammlöcher; die Mündungsgebiete eutropher Flüsse blähen sich zu gigantischen Todeszonen auf. Das Delta des Mississippi, in den ab Minnesota düngerreiche Sedimente eingeleitet werden, bevor er sich in den Golf von Mexiko ergießt, ist jetzt größer als New Jersey.
In einer Welt ohne Menschen würde das plötzliche Ende der Kunstdüngung eine augenblickliche chemische Entlastung der fruchtbarsten Biozonen unseres Planeten bewirken – der Gebiete, wo sich große Ströme, mit riesigen Nährstoffmengen beladen, in die Ozeane ergießen. Im Laufe einer einzigen Vegetationsperiode würden die toten Sedimentwolken in den Mündungsgebieten der großen Ströme – Mississippi, Sacramento, Mekong, Jangtse, Orinoko, Nil – zu schrumpfen beginnen. Die wiederholten Spülvorgänge einer Art chemischen Toilette werden das Wasser fortlaufend reinigen. Würde jemand nach zehn Jahren einen Blick auf das Mississippidelta werfen, wäre er erstaunt über das, was er vorfände.
Die Gene
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