Die Welt ohne uns
ausgelaugt, ein Boden, der nur wenige Arten trägt.
Doch selbst ein Wald, in dem Eichen, Brombeersträucher und Stechpalmen vorherrschen, ist keine Ödnis. Dort ist Leben, das nach und nach auch anderes hervorbringen wird.
Für den Unterschied in Broadbalk – wo nur eine einzige Eiche steht – sind zweihundert Jahre Kalkeintrag verantwortlich, der die Phosphate festhält. »Aber irgendwann«, sagt Poulton, »wird er ausgewaschen sein.« Danach kann es keine Erholung geben, weil sich der Kalkpuffer, einmal verschwunden, von allein nicht erneut bilden kann, dazu muss er ausgestreut werden. »Eines Tages«, sagt er, mit einem kritischen Blick auf die Arbeit seines Lebens, »wird dieses Ackerland wieder Unterholz sein. Dann wächst hier kein Gras mehr.«
Ohne uns wird es höchstens ein Jahrhundert dauern. Wenn aller Kalk fortgespült ist, wird die Broadbalk-Wildnis ein Abbild von Geescroft sein. Diese beiden verbliebenen Waldbestände werden ihre Samen mit dem Wind tauschen, bis sie miteinander verschmolzen sind, sich ausgebreitet und schließlich alle ehemaligen Äcker Rothamsteds in ihren voragrarischen Zustand zurückversetzt haben.
Mitte des 20. Jahrhunderts schrumpfte der Halm des handelsüblichen Weizens fast um die halbe Länge, während sich die Zahl der Körner in der Ähre vervielfachte. Weizen zählte zu den biotechnisch veränderten Pflanzen, die während der sogenannten Grünen Revolution entwickelt wurden, um den Welthunger zu besiegen. Ihre phänomenalen Ernteerträge gaben Millionen, die sonst nichts zu essen gehabt hätten, Nahrung. So leisteten diese Pflanzen ihren Beitrag zum Bevölkerungswachstum in Ländern wie Indien und Mexiko. Man schuf sie durch verstärktes Kreuzen und Zufallsbeimischungen von Aminosäuren – Kunstgriffe, die dem Gen-Splicing vorangingen; der Erfolg und das Überleben dieser Pflanzen hingen von genau dosierten Cocktails aus Kunstdüngern, Herbiziden und Pestiziden ab. Schließlich mussten die Laborgeschöpfe vor den Gefahren geschützt werden, die draußen, in der rauen Wirklichkeit, auf sie lauerten.
In einer Welt ohne Menschen wird keine dieser Pflanzen in freier Natur auch nur die vier Jahre überstehen, die sich der Weizen in der Broadbalk-Wildnis hielt, nachdem Lawes und Gilbert sie den Elementen überlassen hatten. Einige sind sterile Hybriden, die Erträge anderer sind so geschädigt, dass die Farmer jedes Jahr neue Saat kaufen müssen – ein warmer Regen für die Saatzuchtbetriebe. Die Böden, auf denen diese Sorten eines Tages aussterben werden – und das sind heute die meisten Getreidefelder der Welt –, werden von Stickstoff und Schwefel extrem übersäuert sein und es bleiben, bis sich neues Erdreich gebildet hat. Es wird Jahrzehnte dauern, bis säuretolerante Bäume Wurzeln schlagen und wachsen, und dann werden noch Jahrhunderte vergehen, ehe Mikroorganismen, die sich durch die dürftige Hinterlassenschaft der Agrarindustrie nicht vertreiben lassen, altes Laub und Holz zersetzt und als Humus ausgeschieden haben.
Unter diesen Böden, gelegentlich auch von ehrgeizigen Wurzeln an die Oberfläche geholt, liegen die in drei Jahrhunderten zusammengetragenen Schwermetalle und eine Buchstabensuppe von POPs, Substanzen, die wahrhaft neu unter der Sonne und der Erde sind. Einige gezielt entwickelte Verbindungen wie die PAKs, die zu schwer sind, um in die Arktis geweht zu werden, enden unter Umständen molekular gebunden in Böden, die zu hart sind, als dass zersetzende Mikroorganismen eindringen könnten. So bleiben diese Stoffe auf ewig dort.
1996 schrieb die Londoner Journalistin Laura Spinney in einem Artikel für das New Scientist Magazine, dass ihre Stadt, wenn sie aufgegeben werde, in 250 Jahren wieder zu dem Sumpf geworden wäre, der sie einst war. Die von ihren Zwängen befreite Themse würde die Fundamente eingestürzter Gebäude umspülen, der Canary Wharf Tower wäre unter der Tonnenlast triefend nassen Efeus in sich zusammengefallen. Ein Jahr darauf ging Ronald Wright in seinem Roman Die Schönheit jener fernen Stadt noch 250 Jahre weiter in die Zukunft und stellte sich denselben Fluss mit Palmen umsäumt vor, wie er kristallklar an Canvey Island vorbeifließt und sich bei tropisch schwüler Luft in mangrovenbestandene Mündungsarme ergießt, um sich mit einer warmen Nordsee zu vereinigen.
Wie das Schicksal der gesamten Erde wird auch das Großbritanniens zwischen diesen beiden Visionen schwanken: Entweder kehrt es zur Pflanzenwelt der gemäßigten
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