Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)
fand ihn an einem Baum zusammengesackt, die Sandalen im Schlamm vergraben. »Du bist doch nicht wieder der andere Tom, oder?«
»Nein.«
Wyatt trat von einem Bein auf das andere. »Aber die anderen kämpfen, und du sitzt hier. Du liebst doch Kämpfe.«
»Ich denke nach, okay? Darf ich etwa nicht mehr nachdenken?«
»Im Allgemeinen tust du so etwas nicht.« Sie nahm neben ihm Platz, achtete jedoch darauf, sich nicht in den Schlamm zu setzen.
Tom schaute sie lustlos an. Auch sie war in letzter Zeit nicht die Alte gewesen, und er war sich ziemlich sicher, dass es daran lag, was mit Blackburn schiefgegangen war. Er hatte genug von ihrem Gespräch in seinem Büro gehört, um es zu begreifen. Sie hatten einen Draht zueinander gehabt. Und dann war er gekommen und hatte alles zerstört.
Er rieb sich die Stirn. »Habe ich mich eigentlich jemals entschuldigt? Dafür, dass ich Blackburn habe glauben lassen, dass …«
»Ich habe es dir schon einmal gesagt, das warst nicht du.« Sie schlang die Arme um die Knie. »Ich weiß noch immer nicht, was Roanoke bedeutet. Jedenfalls nicht mehr als das Offensichtliche: diese Kolonie im frühen Amerika.«
»Vengerov wusste es«, murmelte Tom. »Ich habe gehört, wie er es gesagt hat. Er wusste genau, welche Knöpfe er bei Blackburn drücken musste. Er hat dafür gesorgt, dass es mir eingespeist wurde.« Er schüttelte den Gedanken ab. »Hör zu, Wyatt, ich werde ihm erzählen, was wirklich passiert ist …«
» Nein! Sprich das nicht mehr an, okay? Bestimmt redet Lieutenant Blackburn eines Tages wieder mit mir, wenn du es einfach auf sich beruhen lässt. Das muss er doch, oder nicht?«
Diese Frage konnte Tom ihr nicht beantworten. Stattdessen hob er die Hände. »Gut. Das ist ganz deine Sache.«
»Ist es das, was dich bedrückt?«
»Mich bedrückt nichts.«
»Doch, das tut es. Deswegen bin ich hier – damit wir über deine Gefühle sprechen können.«
Tom stieß ein ungläubiges Lachen aus. »Über meine Gefühle sprechen?«
Sie rutschte unbehaglich hin und her und wand sich dabei regelrecht. »Elliot hat mir gesagt, ich soll mehr emotionale Sensibilität an den Tag legen. Das hört sich ziemlich unkompliziert an. Wenn du es versuchen willst, kannst du Sätze verwenden, die mit ›Ich habe das Gefühl‹ beginnen. Und ich werde ruhig und unvoreingenommen zuhören.«
Tom schnaubte.
»Außerdem hat er gesagt, ich kann dieses Gespräch führen, indem ich empathische Dinge sage wie zum Beispiel: ›Ich habe das Gefühl, du bist traurig, Tom.‹« Sie nickte. »Bist du traurig, Tom?«
»Nein«, knurrte Tom, auf einmal aufgebracht. »Ich bin nicht traurig .Ich bin wütend, okay? Du willst einen Gefühlssatz? Ich habe das Gefühl , ich sollte jemanden umbringen. Ich denke immerzu darüber nach, wie mich diese Sache fertiggemacht hat, und ich habe das Gefühl , ich hätte diesen Club samt Dalton Prestwick abfackeln sollen, okay? Ich habe nicht einmal kapiert, dass etwas nicht stimmte! Ich habe mir vier Wochen lang am Stück die Haare gegelt und mich bei Karl eingeschleimt und dabei nicht einmal mitbekommen, dass etwas anders war!«
»Das Programm hatte ein Rootkit. Es war darauf angelegt, sich vor dir zu verbergen.«
»Darum geht es nicht, okay? Ich hätte begreifen müssen, dass da etwas im Busch war, weil ich begann, Dalton zu vertrauen . Ausgerechnet Dalton Prestwick ! Ich hasse diesen Typ, okay? Er behandelt meine Mom wie Müll. Seinetwegen habe ich keine Familie! Und plötzlich bekomme ich ein einziges Programm in das Gehirn geknallt, und schon halte ich ihn für den tollsten Kerl auf der Welt? Ich meine, ich habe ernsthaft geglaubt, er täte alles zu meinem eigenen Wohl! Das habe ich geglaubt und mir nicht einmal Gedanken darüber gemacht!«
»Auch wieder das Programm. Es ist so angelegt.«
»So etwas tue ich nicht, okay? Ich weiß immer, wenn mich jemand bescheißen will. Ich vertraue nicht einfach jemandem blind. So vertraut habe ich nicht einmal meinem Dad!«
Wyatt sah ihn scharf an. Dann biss sie sich auf die Lippe, weil selbst sie begriff, dass dies der Punkt war, an dem man besser keine weiteren Fragen stellte.
Tom starrte auf das Schlachtfeld. Immer wieder musste er daran denken, wie Dalton ihm gezeigt hatte, wie man eine Krawatte band, und dann wünschte er sich nur, er könne irgendwie in der Zeit zurückreisen und ihn mit dem Ding erwürgen. Ihm war zumute, als hätte er etwas Furchtbares getan, so als hätte er seinen Dad verraten. Denn selbst jetzt konnte
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