Die Weltenzerstörer - 18
Linnea.
„Nein, ganz so ist es nicht, denn auch wir suchen die Liebe aus Trostbedürfnis, aus Einsamkeit oder weil das Herz sie verlangt. Sie ist kein übermächtiger Trieb, sondern eine schöne Annehmlichkeit Wie Musik oder Tanz.”
„Ein Volk mit einem unausgeprägten Geschlechtstrieb hat wenig Überlebenschancen”, bemerkte Jason.
„Und davon haben wir einiges geerbt”, fügte Regis hinzu. „Ich weiß seit vielen Jahren, daß das Sexbedürfnis unter Telepathen wesentlich geringer ist als bei normalen Menschen.” „Damit läßt sich vieles erklären”, sagte Conner. „Menschen mit .geschlossenen Geistern haben keine Möglichkeit, einen anderen Menschen anders zu erreichen als im blinden körperlichen Kontakt.”
„Sex kann ein so tiefer, aufwühlender Kontakt sein, daß früher eine telepathische Wärterin unbedingt Jungfrau bleiben mußte”, fügte Linnea hinzu. „Das ist jetzt nicht mehr so streng, aber die schwere Arbeit an der Matrix schließt automatisch jede übermäßige sexuelle Betätigung aus, weil sie zuviel Potenz beansprucht. Und darüber hinaus hält man unter den Telepathen der Comyn den Unterschied zwischen den Geschlechtern nicht für allzu gravierend. Es ist auch heute nicht ungewöhnlich, daß Mädchen sich zuerst in Mädchen und Jungen in Jungen verlieben.”
„Unbekannt ist dieses Phänomen auf der Erde auch nicht, nur gibt es dort ein sehr strenges Tabu”, erklärte Jason.
„Und mir hatte man schon als kleines Kind beigebracht, daß ich der letzte Hastur sei”, warf Regis ein. „Lange Zeit haßte ich daher die Frauen, und ich fühlte mich nur wohl bei anderen Männern, meinen Waffenbrüdern und -vettern.”
Danilo lachte. „Im Imperium hätte man dieses Problem spielend gelöst und dich in einer Spermenbank deponiert.”
„Wenn Männer mit Männern und Frauen mit Frauen als Liebende zusammenkommen, nennt man das in meinem Volk donas amizu, die Gabe der Freundschaft. Darin liegt eine tiefe Wahrheit, denn jeder Mann hat eine latente weibliche, jede Frau eine ebenso latente männliche Anlage. Die Polarität schafft die Liebe.”
„Und bei den Chieri liegt die innere Seite näher an der Oberfläche”, stellte Missy fest. „Es ist so neu für mich …”
„Aber nichts, dessen man sich schämen müßte.”
Für einen Augenblick verschmolzen die Geister der Anwesenden zu einem Ring. Regis, Linnea und Desideria hielten alle zusammen, und David wußte plötzlich, daß er seine eigene Wahrheit gefunden halle. Er griff nach Conner aus und berührte ihn; es war ein Gefühl des Heimkommens. Linnea nestelte sich wie eine köstliche Blute in sein Bewußtsein, und Missy zog wie ein Komet durch seine Sinne. Desideria war Wärme und Liebe, und Keral - war Heimat.
Keiner brauchte den anderen mehr zu fürchten, und niemand würde je im Leben mehr allein sein.
„Mir ist es jetzt gleichgültig, ob sie es wissen”, sagte Keral, als sie zum Hospital zurückkehrten. „Conner hat Missy aus ihrem Elend herausgebracht, aus dem Wahnsinn des Wechsels.”
David ließ sich sein und Kerals Abendessen in seine Wohnung schicken. Es war ein zauberhafter Abend; sie waren mit sich allein und fröhlich, und sie tranken von dem starken, blaßfarbenen Darkovaner-Bergwein. doch sie blieben klar und nüchtern - ohne eine Spur Trunkenheit.
Keral nahm Davids Gesicht in beide Hände, und das war eine herzbewegende Intimität. Plötzlich war alles wie kristallklares Wasser - Begehren und Zärtlichkeit, und eines verwob sich mit dem anderen. Aber David wußte, daß er bei Keral nichts überstürzen durfte. Ein Rest Angst war in ihm noch vorhanden, daß es bei ihm ähnlich werden könnte wie bei Missy.
„Fürchte dich nicht, Keral, ich werde nicht drängen”, versprach David.
Keral lächelte, sprach jedoch nicht. Er war sehr blaß. Noch befand er sich in einer neutralen Phase mit einem leichten Hang zum Männlichen; doch wenn das Stimulans stark genug war, würde sich die Waagschale des Weiblichen schnell senken.
Vom rein biologischem Standpunkt aus gesehen war eine körperliche Vereinigung jetzt schon möglich, aber von der Theorie zur Praxis ist und bleibt ein weiter Schritt. Und selbst Keral wußte ja nicht, wie lange die Umkehr von einer Phase zur anderen dauerte. „Es ist ja auch unwichtig”, sagte David, und eine Welle der Zärtlichkeit überschwemmte ihn. Er spürte Kerals Angst und küßte ihn zärtlich. „Ich habe auch Angst, Keral”, flüsterte er. „Ich weiß ja nicht, was kommen wird, wie du es
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