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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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sie wie mancher Rotwein mehr gesammelt und verschenkt als getrunken. Aber kein Chinese war bisher so clever wie die Winzer um Bordeaux oder die Chardonnay-Reben-Anbauer in der Champagne aus angesehenen »Lagen« mit Qualität und Tradition bekannte Marken zu entwickeln. Es ist das Problem vieler Länder der ehemals »Dritte Welt« genannten Zonen, das Potenzial ehrwürdiger eigener (Agrar-)Produkte auf dem Weltmarkt nicht auszuschöpfen. Die einzigen weltweit bekannten Teemarken sind die Handelsmarken Lipton (heute Unilever-Konzern) und Twinings (heute Associated British Foods, die auch Ovomaltine verkaufen. Twinings, seit 1706, ist eine der ältesten Marken überhaupt und natürlich englischer Hoflieferant.)
    Allerdings stehen dem (noch) nicht vorhandenen chinesischen Markenehrgeiz auch Hindernisse entgegen wie ein hoher Pestizideinsatz im chinesischen Teeanbau, der in der EU beim Teeimport nicht geduldet würde, oder ineffiziente Anbau- oder Pflückmethoden eben der Kleinbetriebe. In Sri Lanka ist der Ertrag pro Hektar viermal so hoch. Den meisten Tee konsumieren die Chinesen ohnehin selbst. Nur ein Fünftel der Ernte wird exportiert und zwar überwiegend in die asiatischen Nachbarländer Korea und Japan sowie in andere südostasiatische Länder, wo ebenfalls ganz überwiegend Grüntee getrunken wird. Die Schwarztee-Exporte belaufen sich nur auf rund 25000 Tonnen. Hier liegt das größte Potenzial für den Weltmarkt.
    Chinesische Hauptanbaugebiete liegen in den gebirgigen Provinzen Südostchinas Jiangxi, Chekiang, Fujian, alle südlich des Jangtsekiangs auf dem Festland gegenüber von Taiwan. Im Grenzgebiet zwischen Fujian und Kiangsi liegt beispielsweise das Wuyi-Gebirge, das für seine Wälder, Heilkräuter und Tees berühmt ist. Von hier stammt die extrem teure Sorte Jin Jun Mei.
    Auch in den anderen traditionellen Erzeugerländern Indien, Japan, Indonesien, Kenia und Sri Lanka (Ceylon) ist der Eigenverbrauch hoch. Größtes westliches Teeanbauland ist die Türkei. Die größten Importländer sind nach wie vor Großbritannien und Russland.
    Nicht nur in England, auch in Russland ist das Teetrinken viel alltäglicher als in Deutschland. Angeblich gelangte der erste Tee als Geschenk des Khans der Mongolen einige Zeit nach 1600 nach Moskau. Anschließende chinesische Teelieferungen wurden nicht wie bei Holländern und Engländern auf dem Seeweg, sondern per Kamelkarawanen mit Ziegeltee via Teestraße abgewickelt, die nördlich um die Wüste Gobi verlief – anders als die Seidenstraße auf der Südroute. Der Transport dauerte 16 Monate. Gleichwohl wurde Tee im 19. Jahrhundert ein russisches Nationalgetränk, versinnbildlicht durch den Samowar (»Selbstkocher«). Das war die Erfindung des Waffenschmieds Fedor Lissizyn aus Tula.
    Die 200 Kilometer südlich von Moskau gelegene Eisenschmiede-Stadt Tula war bereits zu Zeiten Peters des Großen ein Zentrum der damaligen Rüstungsindustrie und ziviler Eisenverarbeitung – und ist es bis heute. Lissizyn begann 1778 mit der Samowar-Produktion, die so erfolgreich war, dass Tula in Russland geradezu sprichwörtlich mit »Samowar« identifiziert wird. Im Laufe eines Jahrhunderts fand sich der Teekocher in jedem russischen Haushalt und wurde zum Nationalsymbol. Der Fantasie waren bei seiner Gestaltung und Verzierung im ornamentverliebten 19. Jahrhundert keine Grenzen gesetzt. In diesem Punkt übertrifft der Samowar die modernen Espressokocher, die heute als Heißgetränkzubereitungsmaschine in keinem gediegenen Haushalt des Westens fehlen dürfen, um ein Vielfaches. Die ebenfalls viel Tee trinkenden Türken und Perser übernahmen diese Sitte.
    Als Eigenbesitz der Zaren wurden im späteren 19. Jahrhundert Teeplantagen in Grusinien am Schwarzen Meer (heute Georgien) sowie in anderen Bereichen der Kaukasusregion angelegt. Georgien ist heute ein selbstständiger Staat, und die Teeplantagen dort und an anderen Stellen der Kaukasusregion sind durch die anhaltenden kriegerischen Zustände stark in Mitleidenschaft gezogen. Sie reichten nie aus, um den russischen Bedarf zu decken, weder qualitativ noch quantitativ.
    Die japanische Teezeremonie ist eine private Einladung, klassischerweise in ein Teehaus in einem Garten. Schon der – gewundene – Weg dorthin soll die Gäste vom Alltag trennen. Die Aufstellung des Teegeschirrs, Zubereitung und Bewirtung sind Handschlag für Handschlag ähnlich ritualisiert wie die Altarbereitung einer katholischen oder orthodoxen Messe, die ja im

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