Die Weltgeschichte der Pflanzen
Briten, später auch anderen Ausländern wurde mehr Freizügigkeit zugestanden, immer weitere Häfen wurden geöffnet, die Europäer durften missionieren, sie galten als exterritorial. Zum Schluss (1897) wurden den Chinesen »Pachtverträge« aufgezwungen, welche den fremden Mächten Territorialbesitz sowie Bergbau- und Eisenbahnrechte einräumten. Nach und nach beteiligten sich alle großen europäischen Mächte an dieser Aufteilung des chinesischen Kuchens (so wurde es in Karikaturen der Zeit dargestellt), auch das Deutsche Reich, auch Österreich-Ungarn und schließlich sogar die Japaner und Amerikaner. Die einst blühende asiatische Großmacht verfiel rapide, allerdings auch wegen der halsstarrigen Reformunfähigkeit der eigenen Regierung unter der Kaiserinwitwe Cixi in der Schlussphase des über zweitausendjährigen Reiches.
Eine Revolte gegen die ausländische Unterdrückung war der Boxeraufstand, den die westlichen Mächte zwar noch niederschlagen konnten, aber in der Folge kam dann doch die bürgerliche Revolution unter Sun Ya-tsen, der letzte Kaiser musste abdanken (1912), die bürgerliche Kuomintang wurde in den Zwanzigerjahren von den Kommunisten Maos herausgefordert, die nach langem Bürgerkrieg gewannen und 1949 die Volksrepublik ausriefen.
Alles wegen des Tees.
Der Vertrag von Nanking 1842 zur Beendigung des Ersten Opiumkrieges unterminierte zwar die Souveränität des chinesischen Kaiserreichs und erzwang eine erste Öffnung von fünf »Vertragshäfen« an der Küste, aber die Geheimnisse um den Tee waren damit noch nicht gelüftet. Es war immer noch nicht klar,wo er eigentlich herkam und wie er überhaupt »hergestellt« wurde. Bis jetzt kannte man nur das Endprodukt. Vom Anbau und der Weiterverarbeitung hatte noch kein einziger Europäer irgendetwas gesehen. Das Innere Chinas war immer noch Terra incognita. Ausländer waren noch längst nicht ins Innere des Reichs der Mitte vorgedrungen; das war ihnen auch nicht erlaubt.
Erst dem Pflanzenjäger Robert Fortune gelang es 1848 unter höchst abenteuerlichen Umständen, die ersten Teepflanzen aus China nach Indien zu bringen. Mit dieser Mission war der Schotte von der britischen East India Company ( BEC )im Einvernehmen mit der Royal Horticultural Society ( RHS ) beauftragt worden.
Die RHS , 1804 von einem Onkel von Charles Darwin gegründet, war neben Kew Gardens die maßgebliche botanische Institution in England, mit Sitz in Chiswick, einem nahe Kew Gardens gelegenen südwestlichen Vorort von London. Hier wurde nicht nur botanische Grundlagenforschung betrieben, sondern auch Strategien entworfen, wie man die schnell wachsenden globalen Kenntnisse über ständig neue Pflanzen in Pflanzennutzung umsetzen kann. Hier wurde Pflanzenpolitik im Sinne des Empire betrieben.
1823 waren in Assam Sträucher von Wildpflanzen entdeckt worden, die aber bis 1834 nicht als Teepflanzen erkannt wurden. Danach begannen die Briten diese zu kultivieren, jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. Um Tee in Indien rasch erfolgreich anbauen zu können – das war der Plan –, brauchten die Engländer erstens große Mengen an Teesamen von ertragreichen und qualitätvollen Kulturpflanzen und zweitens handwerkliche Kenntnisse der Teeblattaufbereitung.
Der in Schottland geborene Robert Fortune (1812-1880) war ein gelernter Gärtner, kein akademisch ausgebildeter Botaniker. Zur Weiterbildung hatte er sich nach Chiswick begeben. Da Europäern das Betreten von chinesischem Territorium jenseits der fünf Vertragshäfen an der Küste verboten war, reiste der Schotte als chinesischer Kaufmann verkleidet tief in das Innere Chinas. Eswurde eine abenteuerliche Reise, auf der er sich mit Wegelagerern, Ungeziefer, feuchtheißem Klima, unaussprechlichen sanitären Verhältnissen, ungünstigem Wetter und unzuverlässigen Leuten herumschlagen musste. Aber er gelangte ins Zentrum des chinesischen Teeanbaus in die entlegenen Berge von Wuyishan.
Fortune erkannte als erster Europäer, dass schwarzer Tee und Grüntee von derselben Pflanze stammen und nur anders aufbereitet werden. Nach dreijährigem Aufenthalt gelang es ihm, sage und schreibe 20000 Setzlinge aus China herauszuschmuggeln und einige im Teeanbau erfahrene chinesische Helfer mit nach Darjeeling zu nehmen. Fortune sammelte und beschrieb auf dieser und weiteren drei Reisen noch eine Unmenge weiterer Pflanzen und gehört damit zu den bedeutendsten und erfolgreichsten Pflanzenjägern des 19. Jahrhunderts.
Um 1850 brachten die
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