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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Blumenimporteure.
    Der Schnittblumenanbau ist ziemlich energieintensiv: Treibhäuser benötigen Heizung und Wasser, die Wege sind lang und aufwendig durch Kühlketten und den Transport per Flugzeug aus Afrika und Südamerika. Blumen sind eben eine leicht verderbliche Ware.
Hyazinthe
    Etwa gleichzeitig mit der Tulpe wurden auch Hyazinthen, Narzissen und der Flieder als Gartenpflanzen in Europa aus dem Orient eingeführt.
    Der Ursprung der Hyazinthe lässt sich im Bereich Ostanatolien, Nordsyrien und Libanon näher eingrenzen. In der Antike war die Pflanze bestens bekannt. Um ihren Namen rankt sich die griechische Götterlegende vom ausgesprochen gutaussehenden Spartaner-Prinzen Hyakinthos, um dessen Gunst sich Apollon und der Westwindgott Zephyr stritten. Als sich Apollo und der schöne Jüngling beim Diskuswerfen gemeinsam sportlich betätigten und Hyakinthos einem von Apollon geworfenen Diskus hinterherrannte, um ihn aufzufangen, fegte der eifersüchtige Zephyr die Wurfscheibe mit einem Windstoß auf den Jungen. Sie traf ihn so unglücklich, dass er starb. Der untröstliche Apollo verwandelte ihn daraufhin in eine Blume.
    Die hübsche Geschichte verschleiert mehr, als sie erklärt. An der Silbe -inth kann man eindeutig erkennen, dass das Wort nicht griechischen Ursprungs ist, sondern aus einer älteren altmediterranen Sprache stammt. Die Griechen haben den Pflanzennamen also erst übernommen, nachdem sie in Hellas und in das Ägäisgebiet eingewandert waren. Dort lernten sie die Hyazinthe kennen. Es gibt auch noch etliche andere, sehr alte Wörter mit der -inth -Silbe, wie »Labyrinth« und der Stadtname »Korinth«.
    Zu Ehren von Hyakinthos gab es übrigens bei den Spartanern ein typisch griechisches kultisches Sing-, Tanz- und Sportfestival wie es die Olympischen Spiele waren, aber eben nur von lokaler Bedeutung. Für Sparta zählten die dreitägigen Hyakinthien zu den höchsten Feiertagen.
    Da die Hyazinthe zeitig im Frühjahr blüht, galt sie den alten vorgriechischen Ackerbauvölkern als Wiederauferstehungssymbol, als Zeichen für die Wiederbelebung der Natur nach dem Winter. Es gibt viele derartige naturnahe Mythen um Vegetations- und Wiederauferstehungsgottheiten in den altorientalischen Kulturen des Nahen Ostens. Der bekannteste und bei den babylonischen, phönizischen und semitischen Völkern viel verehrte Adoni gehört auch dazu. Er entwickelte sich dort sogar zu einer Art Haupt- und Obergott, weshalb das Wort selbst in der hebräischen Bibel als Anrede für Jahwe gebraucht wird: Adonai  – »Herr«. Noch in unserem Wort »Herrgott« klingt nach, wie dieses Wort in den semitischen Kulten gebraucht wurde.
    Bei den Griechen wurde daraus »Adonis«, wiederum ein sehr hübscher Jüngling, der allerdings mehr den Göttinnen gefiel, insbesondere der Liebesgöttin Venus. Wegen Adonis hätte sie sich beinahe von ihrem Göttergatten Mars scheiden lassen. Auch Adonis kam auf unnatürliche Weise durch einen von dem eifersüchtigen Nebenbuhler ausgelösten »Unfall« ums Leben: Mars verwandelte sich in einen wilden Eber und tötete den leidenschaftlichen Jäger Adonis. An der Stelle wuchsen dann die Adonisröschen, die Anemonen.
Narzisse
    Im gleichen Zeitraum wie Tulpe und Hyazinthe gelangte ferner die Narzisse (Osterglocke) in die Botanischen Gärten Europas. Das Amaryllisgewächs stammt aus der gleichen botanischen Heimat wie die beiden anderen, dem Mittelmeergebiet, sogar mit einem Schwerpunkt im westlichen Mittelmeer rund um die IberischeHalbinsel. Mythologischer Namensgeber ist ebenfalls wieder ein junger Mann, der selbstverliebte Narziss, der beim tief versunkenen Anblick in sein eigenes Spiegelbild an einem See ums Leben kam. Als sich dort zufällig die Wellen kräuselten, war er von der Verzerrung so entsetzt, dass er hineinplumpste oder auf der Stelle starb. Weil die Götter große Schönheit nicht vergehen lassen wollten, wuchsen dort die ersten Narzissen.
    Dieser klassische Mythos ist ad hoc entstanden, denn wie bei der Hyazinthe verrät der Pflanzenname selbst eindeutig die Herkunft aus einer viel früheren Sprach- und Kulturschicht: Verräterisch ist hier ebenfalls die Endsilbe: -ssos . Sie findet sich in bekannten altmediterranen, vorgriechischen Wörtern wie kolossos (davon »Koloss«), parnassos (»Parnass«, der mythische Musenberg bei Delphi) oder Städtenamen wie dem minoischen Knossos (wo sich der Sage nach das Labyrinth befand), oder Halikarnassos (heute das türkische Bodrum, wo eines der

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