Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
Vom Netzwerk:
»Achat«, »Admiral« oder »Schöne Helena«, und die ganze Tulpenzüchterei machte die Holländer verrückt.
    Tulpenzwiebeln wurden schon verkauft, wenn sie sich noch in der Erde befanden, darüber schloss man notariell beglaubigte Terminkontrakte. Daraus entwickelte sich ein börsenmäßiges Spekulationsgeschäft, komplett mit Leerverkäufen (man verkauft etwas,was man selbst noch gar nicht hat) oder Anteils- und Optionsscheinen auf Anteile an Tulpenzwiebeln. Natürlich wurden die Zwiebeln auch meistbietend verauktioniert. All dies konnte natürlich nur in einem Klima gedeihen, wo man glaubte, dass die Preise für Tulpen immer weiter steigen und sich mit derartigen Spekulationsgeschäften in kurzer Zeit üppige Gewinne erzielen ließen.
    Das gesamte Phänomen Börsenspekulation lässt sich an diesem historischen Beispiel aufgrund der Quellenlage erstmals in der Geschichte einigermaßen gut nachvollziehen. Als »Börsen« dienten meistens Schankwirtschaften, wo die Käufer, Verkäufer und Zwischenhändler zusammenkamen, Informationen und Preisvorstellungen austauschten, die Ware mit von Goldschmieden ausgeliehenen Goldwaagen wogen, wenn die Zwiebeln nach Gewicht verkauft werden sollten. Für allerlei Nebendienste wurden Gebühren fällig.
    Die humanistisch gesinnten Blumenliebhaber beteiligten sich an dieser windigen Geschäftemacherei nicht. Zwar gehörten die Tulpenspekulanten zur selben gehobenen sozialen Schicht, aber für die Spekulanten waren die Zwiebeln nur ein Anlageobjekt, der Tulpentauschhandel hatte sich weitgehend verselbstständigt.
    Den Anfang nahm die Tulpenmanie etwa seit 1620, als die sehr begehrte Tulpensorte »Semper Augustus«, eine rot-weiß gestreifte Tulpenschönheit, pro Zwiebel 1000 Gulden kostete, das Sechsfache eines durchschnittlichen Jahreseinkommens. Das ist natürlich der spektakuläre Ausreißer nach oben. Andere Zwiebeln kosteten »nur« 20 Gulden. 1637, auf dem Höhepunkt der Tulpenmanie, kostete die Semper Augustus dann 10000 Gulden, der höchste Preis, der je für eine Tulpenzwiebel gezahlt wurde, schlicht und ergreifend der Preis für ein Amsterdamer Haus in bevorzugter Grachtenlage.
    In den Dreißigerjahren verstärkten sich die Spekulationen. Ausgehend von ganz unterschiedlichen Preisniveaus häufigerer oder eher seltener Tulpen war von einer Verdoppelung bis zu einer Verzwölffachung des Preises einer Tulpenzwiebel innerhalb vonzwei Wochen alles drin. Ob sich in der Schlussphase auch weniger wohlhabende Niederländer an dem riskanten Geschäft beteiligten, ist umstritten.
    Das Ende der Spekulation kam – wie immer – in einem schnellen Crash Anfang Februar 1637. Bei einer Wirtshausversteigerung in Haarlem konnten die erwarteten Preise nicht mehr erzielt werden. Zwei Tage später gab es zwar noch einmal eine Superauktion in Alkmaar mit Rekordergebnis, aber danach brach der Markt innerhalb weniger Tage zusammen. Das Ergebnis von Haarlem hatte sich in Windeseile in den gesamten Niederlanden herumgesprochen. Niemand glaubte mehr an steigende Tulpenpreise. Und damit waren sie auf einen Schlag ökonomisch nichts mehr wert.
    Die Niederlande sind heute nicht nur der mit Abstand größte Schnittblumenproduzent in Europa, sondern auch die Drehscheibe für den globalisierten Blumenhandel. Die Niederländer erwirtschaften fast 20 Prozent ihres Bruttosozialprodukts mit dem Gartenbau (dazu zählen allerdings auch Obst und Gemüse wie die Hollandtomate).
    Deutschland selbst produziert lediglich ein Viertel bis ein Drittel der hierzulande angebotenen Schnittblumen, der Rest wird importiert. Zehn Prozent des Imports kommen aus Israel und einigen Entwicklungsländern. Kenia, Kolumbien und Ecuador sind wichtige Produktionsländer für Schnittblumen – natürlich wegen des geeigneten Klimas und der niedrigen Löhne. Wachsen tun die Pflanzen (unter heftigem Pestizideinsatz) von selbst; die Hauptarbeit liegt im versandfähigen Verpacken: Pro Arbeiterin (überwiegend Frauen) sind es Tausende von Stielen pro Tag.
    Größter Verteiler im europäischen Handel sind die Blumenauktionen in den Niederlanden. Jeder Deutsche kauft im Schnitt pro Jahr für 36 Euro Schnittblumen. Der Gesamtumsatz des EU -Marktes beträgt zwölf Milliarden Euro. Deutschlands Anteil daran beläuft sich auf drei Milliarden. Hierzulande werden auf rund 100 Quadratkilometern Zier- und Schnittpflanzen angebaut (dieGesamtfläche Deutschlands beträgt 357000 Quadratkilometer). Auch die USA und Japan sind große

Weitere Kostenlose Bücher