Die Weltgeschichte der Pflanzen
cot(t)on nicht nur eines der ältesten, sondern auch eines der verbreitetsten Wörter überhaupt. Das im Deutschen früher auch gebräuchliche und davon abgeleitete Wort Kattun ist weitgehend verblasst.
Baumwolle gehört botanisch zu den Malvengewächsen, wie der Hibiscus, der Kakaobaum und die Linden. Verschiedene Unterarten von Gossypium haben ihre jeweilige botanische Heimat in verschiedenen Teilen der Welt. Die für die heutige weltweite Baumwollproduktion wichtigste Art (90 Prozent) ist die amerikanische Gossypium hirsutum , die aus Mittelamerika, also aus einem tropischen Umfeld, stammt und vermutlich auf der Halbinsel Yucatán erstmals von Menschen systematisch angebaut wurde. Da die ältesten Faserfunde mindestens 7000 Jahre alt sind, weiß man nicht, was das für amerikanische Ureinwohner waren. Die ersten bekannten Ackerbaukulturen Amerikas, Valdivia und Caral, waren in Südamerika lokal begrenzt; die ersten Hochkulturen, Olmeken und Maya, begannen erst im Jahrtausend vor der Zeitenwende.
Die Heimat der asiatischen Baumwolle ( Gossypium arboreum und Gossypium herbaceum ) ist Südindien. Auch hier gehen älteste Gewebefunde Jahrtausende weit zurück. In der hochentwickelten Indus-Kultur wurden im dritten Jahrtausend v. Chr. Baumwollgewebe hergestellt. Baumwolle wird also in Asien und Afrika, insbesondere in Ägypten, seit ältester Zeit angebaut.
Die in der modernen Produktion hauptsächlich verwendeten Arten sind Gossypium hirsutum (80 Prozent) und Gossypium barbadense (15 Prozent), deren Ursprung in Mittel- und Südamerika liegt.
Das Kattun-Gewebe wird aus den Samenhaaren der Pflanze gewonnen. Wenn die Samenkapsel aufgeplatzt ist, dienen die bauschigen, federleichten Samenhaare eigentlich dazu, den Samen der Pflanze mit dem Wind fortzutragen und weit zu verteilen. Doch auf Baumwollplantagen werden die Kapseln natürlich vorher abgepflückt – wenn sie gerade aufgeplatzt sind. Allein das ist insofern aufwendig, als Gossypium eine lange Blütezeit hat; daher reifen diese Früchte im Herbst und bis in den Winter hinein erst allmählich und platzen dementsprechend nach und nach auf. Die Felder mussten immer wieder abgegangen werden, weil sowohl überreife wie unreife Kapseln schlechtere Qualität liefern. (Heute wird mit Maschinen nur einmal geerntet.)
Aufwendig war außer dem Abpflücken das Entfernen der Samenkapsel (Egrenieren) und das Kardieren (grob gesagt: das Kämmen) der kurzen Fasern. All das benötigte viele Tage und viele Hände. Aus 100 Pfund Samenkapseln ließen sich etwa acht Pfund Baumwolle gewinnen, die zu Garn versponnen werden konnte. Alle anderen Faserrohstoffe, Schafswolle, Flachs, selbst Seide waren schneller und leichter zu gewinnen.
Seit Jahrtausenden wurde Baumwolle dort, wo der Strauch natürlich vorkommt, in Mittelamerika, Indien und China, für den lokalen Bedarf zu Tuch gewebt. Da sich bis zum 19. Jahrhundert aus der Baumwolle keine langen, reißfesten Kettfäden spinnen ließen, war Baumwolltuch fast nie mehr als eben ein Stück Tuch, in der Regel allenfalls so groß wie ein verlängertes Badetuch, was natürlich auch mit der Kapazität der sehr einfachen Webstühle zu tun hatte. 5000v. Chr. in Mexiko, 3000 v. Chr. in Ägypten, 1500 v. Chr. in Indien und China wickelte man es sich um die Hüfte oder um die Schulter oder als Schal um den Kopf. Im tropischen und subtropischen Klima, wo Gossypium natürlich vorkommt, war es ja ohnehin warm genug.
Für die Römer waren Baumwolltuche allenfalls Luxusgüter aus dem antiken Orienthandel mit Indien. Das Gleiche gilt für die Zeit Karls des Großen und den arabischen Indienhandel. Die Araber brachten dann um 1000 n. Chr. auch die ersten Baumwollsträucher aus Indien nach Andalusien und Sizilien. Im Spätmittelalter wurde im süddeutschen Textilindustrie-Schwerpunkt Augsburg bereits aus dem Mittelmeerraum importierte Baumwolle verarbeitet, aber immer nur als Beimengung mit anderen Fasern. Auf jeden Fall mussten die Kettfäden aus Leinen oder Wolle sein; 100 Prozent Baumwolle gab es nicht.
Um 1500 war Flandern in der europäischen Baumwollverarbeitung führend, erst 1585 wurde die erste Baumwolle durch flämische Weber, die im Zuge der spanischen Belagerung aus Antwerpen flüchteten, nach England eingeführt, blieb dort aber vorerst uninteressant. Das sollte sich 200 Jahre später grundlegend ändern.
Bis zum 17. Jahrhundert spielte Baumwolle als Welthandelsgut keine bedeutende Rolle. Ganz anders als etwa die Seide, die schon seit
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