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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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in England eine halbe Million Pfund Baumwolle versponnen, alles von Hand. Zwanzig Jahre später wurden 16 Millionen Pfund fabrikmäßig in mills hergestellt – flächenmäßig in ganzMittelengland unter Ausnutzung praktisch der gesamten Wasserkraft und der vorhandenen Arbeitskräfte. (Im Englischen blieb der Begriff mill als Allgemeinwort für »Fabrik« lange erhalten). Dies und genau dies war der Beginn jeglicher industrieller Fertigung. Zentrum war die Stadt Manchester, Hauptanlieferungspunkt für die Baumwollballen aus dem Mittelmeer und Indien war die nahe gelegene Hafenstadt Liverpool. Bis dahin kam immer noch keine Baumwolle aus den nordamerikanischen Kolonien.
    Eine weitere wichtige Schranke zur absoluten Massenware fiel 1793, als dem Amerikaner Eli Whitney die entscheidende Verbesserung bei der Entkörnung (Egrenieren) der Baumwolle gelang. Mit seiner cotton engine (genannt »Cotton Gin«), einer Art Bürstmaschine, konnten die Samenhaare viel leichter von den teils klebrigen Samenkörnern und der Samenkapsel getrennt werden. Mit einer Cotton Gin konnten täglich 1500 Kilogramm Baumwolle ausgekämmt werden, was der Arbeitsleistung von 3000 Sklaven entsprach. Dieses einfache Gerät wurde sofort überall in den Südstaaten nachgeahmt. Als Whitney 1807 endlich das Patent zugesprochen wurde, war es für ihn bereits zu spät, aus seiner bahnbrechenden Erfindung selbst Kapital zu schlagen.
    Der technische Fortschritt in England hatte die Baumwolltextilien dort natürlich verbilligt und dementsprechend die Nachfrage angeheizt. Dank der entscheidenden technischen Verbesserung am Flaschenhals der Baumwollverarbeitung, dem Egrenieren, und dank seiner unerschöpflichen Landressourcen konnte Amerika nun liefern.
    Für den beginnenden Baumwollanbau in den südlichen englischen Kolonien Nordamerikas, später Südstaaten genannt, wurden wie für den Zuckerrohranbau sehr viele billige Arbeitskräfte für das mühselige Abernten und das aufwendige Entkörnen der Baumwolle benötigt. Also setzte man das »bewährte« Muster der Dreiecksfahrten fort: Die europäischen Schiffe holten Kolonialwaren (aber noch keine Baumwolle) in Amerika ab und brachtensie nach England. Auf der Rückfahrt für den Export englischer Fertigprodukte nahmen sie den Weg über Afrika, um dort Sklaven als weitere »Fracht« einzuladen. Wie zuvor die Holländer für den Zuckeranbau in der Karibik beteiligten sich nun die Engländer am Sklavenhandel mit Afrikanern. Damit war neben der Pflanze selbst die Grundlage für den »Nachschub« des zweiten unentbehrlichen »Produktionsfaktors« für den amerikanischen Baumwollanbau gelegt – Sklaven.
    Die englischen Kolonien am Mittelatlantik produzierten vorläufig nur für den Eigenbedarf. Erst einige Jahre nach der amerikanischen Unabhängigkeit (1776) und der Gründung der Vereinigten Staaten kam der erste Ballen amerikanischer Baumwolle in Liverpool an.
    Als Folge des technischen Fortschritts in England (Arkwrights Water Frame) wie in den USA (Whitneys Cotton Gin) wurde seit 1800 der Baumwollanbau in Amerika immens ausgedehnt, erstens, weil die Nachfrage in England unaufhörlich stieg, zweitens, weil dadurch mehr Sklaven statt zum Egrenieren zur Ernte eingesetzt werden konnten.
    Der amerikanische Baumwollanbau verdrängte im Süden sogar den Mais- und Tabakanbau. Tabak war bis dahin das wichtigste amerikanische Ausfuhrprodukt gewesen.
    Baumwollanbau wurde fast zu einer Monokultur, da man nur die Lebensmittel für den Eigenbedarf zusätzlich anpflanzte. Der gesamte Reichtum der Führungsschicht hing in den Südstaaten an der Baumwolle. Das war bereits so, als diese in der Kolonialzeit fast nur für den amerikanischen Binnenmarkt produziert wurde. Die damaligen Plantagenbesitzer entstammten überwiegend dem englischen Landadel, waren oftmals zweit- und drittgeborene Söhne, die nach englischem Recht nicht erben durften, aber über genügend Mittel für die Gründung von Plantagen verfügten oder sich (in London) günstig Kredite besorgen konnten. Diese Herrschaften prägten den legendären aristokratischen Lebensstil der Südstaaten.
    Der Süden war während der gesamten britisch-amerikanischen Kolonialzeit und weit darüber hinaus auf dem nordamerikanischen Kontinent wirtschaftlich führend. Gerade auch die Gründerväter der USA , die den Unabhängigkeitskampf gegen das Mutterland Großbritannien anführten, die Republik gründeten und die amerikanische Verfassung schrieben, entstammten fast alle dieser

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