Die Weltgeschichte der Pflanzen
»Gummibaum« ( Hevea brasiliensis ) ist die Grundlage für die Gewinnung von Latex oder Naturkautschuk. Ursprünglich gab es den Baum nur im Amazonasgebiet. Der indianische Name caá huchu (»weinender Baum«) rührt daher, dass die Rinde angeschnitten wird. Daraus tropft der Milchsaft, aus dem man Kautschuk gewinnt. Die im 19. Jahrhundert mit äußerster Brutalität durchgeführte Kautschukgewinnung machte Hevea brasiliensis für die betroffenen Menschen zu einem »Baum der Tränen«.
Nicht nur aus dem Wolfsmilchgewächs Hevea lässt sich Latex gewinnen, sondern auch aus Löwenzahn und dem als Zimmerpflanze bekannten Gummibaum. Der Zimmerpflanzen-Gummibaum wiederum ist eine Ficus -Art, die im indischen Assam und in Malaysia beheimatet und mit dem Kautschukbaum Hevea nicht verwandt ist. Die größte Bedeutung als »Gummi«-Baum hat aber der Kautschukbaum, weil sich dessen Latex am besten für industrielle Zwecke verarbeiten lässt. Auch der Weihnachtsstern und die in den Tropen wichtige Nahrungspflanze Maniok gehören zu den Wolfsmilchgewächsen.
Bekanntlich spielten schon die Indios der Maya- und Aztekenhochkulturen mit Gummibällen – wohl als Teil oder »Vorspiel« eines für die Gewinner tödlichen Opferrituals. Die Gewinner wurden nämlich anschließend sehr blutig auf den Stufen der Opferpyramiden getötet. Der Erfolg im Spiel prädestinierte sie für diese hohe Ehre. Das Blut galt als Nahrung der Götter, damit sie am Leben blieben und ihrerseits den Fortbestand der Welt garantierten.
Bereits kurz nach der Entdeckung Amerikas fiel einem spanischen Berichterstatter auf, dass die Menschen in Haiti mit elastischen Bällen aus dem »Harz« eines Baumes spielten, doch niemand maß dem seinerzeit besondere Bedeutung bei. 1735 berichtete ein französischer Forschungsreisender dann vom Orinoko, wie die Indianer Gummiflaschen herstellten: Sie tauchten einen Lehmklumpen in flüssige Kautschukmasse, trockneten diese durch Umherwirbeln in der Luft und krümelten dann den Lehm aus dem so entstandenen Gefäß. Die Indianer fertigten daraus zum Beispiel auch wasserabweisende Umhänge. Das war immerhin praktisch.
Schon die Indios im feucht-heißen Regenwaldgebiet zwischen Orinoko und Amazonas hatten also die nützlichen Eigenschaften des Milchsaftes aus der – eingeschnittenen – Rinde des Kautschukbaumes ( Hevea ) entdeckt. Bei wiederholtem Einschneiden verstärkt sich der Saftfluss.
Latex, der Milchsaft, enthält 30 Prozent Kautschuk. (Der Rest ist größtenteils Wasser.) Das Anzapfen der bis zu 30 Meter hohen Bäume ist ab dem fünften Jahr möglich, und sie können bis zu 30 Jahre lang produktiv bleiben. Das Einschneiden in die Rinde erfordert viel Erfahrung und manuelle Geschicklichkeit: Man darf nicht zu tief schneiden, um die Kambiumschicht zwischen Rinde und Holz nicht zu verletzen, will aber die milchführenden Saftgefäße möglichst breit erfassen.
Kautschuk wurde in Europa seit 1736 besser bekannt. Dem französischen Forschungsreisenden Charles M. de La Condamine war es gelungen, einige Setzlinge des Kautschukbaumes aus dem Amazonasgebiet nach Frankreich mitzubringen. Die Königliche Akademie der Wissenschaften in Paris nahm es zur Kenntnis, aber man konnte zunächst nicht so recht etwas damit anfangen. Man wusste, es handelte sich um ein interessantes, wasserabweisendes Material, doch bei Wärme war es zu weich, bei Kälte zu spröde.
Die erste europäische Nutzanwendung entdeckte 1770 der englische Tüftler und Apparatebauer Edward Nairne durch reinen Zufall: Zum Ausradieren von Bleistiftnotizen griff er versehentlichstatt zu einem Brotklümpchen, das damals übliche Radiermittel, zu einem Stückchen Kautschuk. Das funktionierte prima. Von Nairne stammt auch der englische Begriff für Gummi: rubber ( to rub off für »wegreiben«). Sein Freund und Kollege Joseph Priestley machte diese kleine praktische Entdeckung im gleichen Jahr publik, daher wird oft er als der Radiergummi-Entdecker genannt. Priestley, eigentlich ein Geistlicher, gelang 1774 die bahnbrechende Erkenntnis von Sauerstoff als eines der Gase in der Luft und seiner Bedeutung für die Verbrennung (Oxidation) und die Atmung. Daher gilt er als einer der Begründer der modernen Chemie als Naturwissenschaft. Priestley sah sich selbst in erster Linie als Theologe. Trotz seines maßgeblichen Anteils an der Begründung der Chemie glaubte er durchaus an die alchimistische Lehre vom Stein der Weisen. Aber auch Newton war ja bekanntlich
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