Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
Vom Netzwerk:
und Färbereien, Jauche. Paris steht hier für alle Städte, große und kleine, auf der ganzen Welt. Pestilenzialischer Gestank begleitete seit Jahrtausenden der Sesshaftigkeit jede menschliche Ansammlung. Jede Art von Geruch wirkt gehirnphysiologisch sehr unmittelbar auf die menschliche Sinneswahrnehmung, ob es sich nun um einen Gestank oder einen Blütenduft handelt. Glücklich konnte sich schätzen, wer über Parfüm oder Räucherwerk verfügte, doch das war immer schon schwierig herzustellen und somit teuer.
    Bereits die antiken Kulturen im Orient und in Indien schätzten Duftstoffe. Die »Wohlgerüche Arabiens«, ein Shakespeare-Zitat aus Macbeth , waren in Europa sprichwörtlich. Sie haben eine lange Tradition weit zurück in die vorgeschichtliche Zeit. Räucherwerk, hauptsächlich aus Baumharzen, hatte eine enorme kultische und medizinische Bedeutung. Räucherwerk war unter anderem eine Opfergabe an die Götter. Man schrieb ihm »reinigende« und heilende Kräfte zu. Dieses frühe Pflanzenwissen wird durch die moderne Wissenschaft bestätigt: Die meisten ätherischen Öle in Pflanzen haben keimtötende Wirkung, gerade auch die in Räucherharzen. Im Räuchern liegt der ursprüngliche Sinngehalt des französischen Wortes par-fum (»durch Rauch«; lateinisch perfumare für »durchräuchern«, »durchduften«).
    Duftstoffe wurden hauptsächlich aus Pflanzen gewonnen. Sie konnten zunächst nur durch Zerreiben von Kräutern oder das Anbrennen von Baumharzen wie dem Weihrauch, also durch die Hitze des Feuers, gelöst werden. Die antiken Hochkulturen verstanden sich dann aber auch auf das handwerklich aufwendige Konservieren von Düften in Ölen und Salben. Die Sitte, sich zu parfümieren, haben die Griechen und Römer von den alten Ägyptern übernommen, die sehr reinlich waren, viel Wert auf Waschungen legten und sich anschließend mit Ölen und Salben einrieben. Im Orient sowie in Indien und China, den zivilisatorisch hochentwickelten Gebieten nach dem Ende der Antike, wurde das Dufthandwerk weitergeführt und weiterentwickelt. Die Perser erfanden im Mittelalter um das Jahr 1000 die Wasserdampfdestillation, das fortan wichtigste Verfahren zur Extraktion ätherischer Öle. Im Europa des Mittelalters legte man wohl weniger Wert auf Wohlgeruch. Erst durch die Kreuzzüge kamen die Menschen hier wieder mit Duftstoffen in Kontakt. Einzig Lavendel blieb in Europa immer in Gebrauch.
    Der Lavendel, ein Lippenblütler, ist an den Mittelmeerküsten heimisch. Seine Hauptbedeutung liegt in der Verwendung des Lavendelöls als Duftstoff. Daher rührt auch der Name: Er kommt schlicht und einfach von lateinisch lavare (»waschen«), weil Lavendel immer schon als Badewasserzusatz verwendet wurde. Es wird aus den Blüten und ihren Stängeln mit Wasserdampf destilliert und in Öl, beispielsweise Olivenöl, eingebracht.
    Auch heute ist Lavendel einer der wichtigsten Grundstoffe für die Parfümindustrie. Lavendelöl war im ersten »Cöllnisch Wasser« enthalten und ist Bestandteil von Chanel No. 5. Duftwässer sind Lösungen einiger Prozentanteile ätherischer Öle in 80- bis 90-prozentigem Alkohol. In der modernen Parfümfabrikation des 20. Jahrhunderts ersetzen synthetische Duftstoffe die meisten Naturstoffe. Bei Eau de Cologne liegt der Duftstoffanteil bei drei bis fünf Prozent, bei Eau de Parfüm bei rund 15 Prozent, bei Eau de Toilette dazwischen.
    Eine andere, sehr aufwendige Methode, aus Pflanzen oder Pflanzenteilen Duftstoffe zu gewinnen, ist die Enfleurage , bei der frische Blüten oder Blütenblätter auf Fett gelegt und monatelang erneuert werden. Das Fett reichert sich dabei mit den ätherischen Ölen der Blüten an. Die Duftessenz wird anschließend mit Alkohol ausgewaschen. Bis zur Einführung der Wasserdampfdestillation wurden Duftstoffe aus Pflanzen nur auf diese Weise extrahiert. Mazeration, ein ähnliches Verfahren mit Erwärmen, geht schneller. Auch hierbei lösen sich die Inhaltsstoffe.
    Südfrankreich ist ein Hauptanbaugebiet von Lavendel und vielen anderen Duftpflanzen für die Parfümindustrie, die südfranzösische Stadt Grasse gilt als die Hauptstadt dieser Industrie. (Auch der Parfüm -Held Jean-Baptiste Grenouille vollendet hier sein mörderisches Werk der Herstellung eines »Engelsdufts«, allerdings nicht aus Pflanzen, sondern aus Jungfrauen.) In der oberhalb der Côte d’Azur gelegenen mittelalterlichen Stadt wurde diese Tradition seit der Spätrenaissance gepflegt. Durch die Heirat der Katharina von

Weitere Kostenlose Bücher