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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Medici mit dem französischen König Heinrich II . gelangte einiges an italienischen Sitten nördlich der Alpen. Dazu gehörte auch eine Vorliebe für Dufthandschuhe. Handschuhe, jahrhundertelang ein unentbehrliches Accessoire im Kleiderschrank der männlichen aristokratischen Oberschicht, wurden stark parfümiert, um den derben Ledergeruch zu übertönen.
    Das Mittelalter hatte noch eine sinnenfrohe und einigermaßen hygienische Badekultur gekannt. Doch das war seit der Pestzeit und bis weit in die Barockzeit verpönt; nicht aus Prüderie, sondern weil sich die »medizinische« Vorstellung durchsetzte, Waschen und Baden entziehe dem Körper Lebenskräfte und übertrage Krankheiten. Wegen der damit einhergehenden Zunahme des Körpergeruchs setzte nun die große Zeit der Parfümeure für den Adel ein, die ihre eigenen Rezepturen entwickelten und hüteten. Auf Bestellung entwickelten sie oft auch individuelle Parfüms für einen bestimmten Auftraggeber. Das steigerte noch einmal die Exklusivität der ohnehin teuren Luxusprodukte. Auch der Roman Das Parfüm spielt in dieser klassischen Zeit des Parfüms.
    Das erste Eau de Cologne wurde kurz nach 1714 von dem Italiener Jean Marie Farina kreiert, dessen Familie als Luxuswarenhändler bereits seit Längerem in Köln ansässig war. Es enthält neben Lavendel hauptsächlich die Öle verschiedener Zitrusfrüchte, Zedernöl und Kräuteröle, also alles »frisch« duftende, mediterrane Pflanzen. Farinas »Cöllnisches Wasser« war insofern etwas Neues, weil es erfrischender und im Duft leichter war als die bis dahin weithin üblichen schwülen und schweren Düfte in den Boudoirs des Adels. Deswegen wurde Farina-Eau de Cologne ein so großer Erfolg. In Adelskreisen ganz Europas – sie waren die Einzigen, die sich den Luxus leisten konnten – wurde das Wort selbst zum Gattungsbegriff. »Eau de Cologne« war im 18. Jahrhundert identisch mit dem Farina-Produkt; der Name des Parfümeurs bürgte, wie damals üblich, für die Qualität. Farina wurde eine Weltfirma.
    1803 trat der »in Speculationsgeschaeften« mit Getreide und Seefisch tätige Troisdorfer Unternehmer Wilhelm Mühlens auf den Plan. Er verschaffte sich die Namensrechte an »Farina«, indem er einen nicht zu der Parfüm-Familie gehörenden gleichnamigen Italiener als Kompagnon in seine Firma aufnahm und nun seinerseits nach einem anderen Rezept hergestelltes Duftwasser unter dem Namen »Farina« vertrieb. Außerdem verkaufte er »seine« Farina-Namensrechte an zwei Dutzend weitere Personen, die ebenfalls »Farina«-Duftwasser fabrizierten. Typische Fälle von Produktpiraterie. Zwar erklärten die Gerichte die Vereinbarung von 1803 und alle daran geknüpften weiteren Vereinbarungen 1832/1833 für nichtig, aber Mühlens’ Sohn schloss flugs einen neuen Vertrag mit einem anderen x-beliebigen Norditaliener namens Farina und, nachdem dieser gestorben war, mit einem dritten, einem Tagelöhner namens Ludovico Francesco Farina. Seit 1865 firmierte das Unternehmen demnach als »Franz Maria Farina in der Glockengasse 4711 …«. 1881 wurde dann dem Mühlens-Enkel Ferdinand die Verwendung des Farina-Namens endgültig untersagt. Seitdem firmierte Mühlens als »Eau de Cologne- und Parfümerie-Fabrik Glockengasse No. 4711 …« Nun wurde die Hausnummer aus der kurzen Besatzungszeit durch französische Revolutionstruppen, mit der schon lange geworben wurde, zum Markennamen. Mühlens hatte zwar die jahrzehntelangen Namensrechtsstreitigkeiten verloren, besaß aber inzwischen die kommerziell erfolgreichere Firma. Die Verwendung chemischer Ersatzstoffe verbilligte das 4711-Duftwasser dann noch einmal erheblich. Dieses Eau de Cologne wurde nun für ganz andere Käuferschichten erschwinglich als das Original von Farina.
    Die Mühlens-Familie verkaufte ihre Firma 1994 zunächst an die Wella AG , die sie dann weiterveräußerte. Farina ist – in der achten Generation – nach wie vor im Familienbesitz .
    Lavendel ist ebenfalls ein wesentlicher Inhaltsstoff der heutigen Handelsabfüllungen von Chanel No. 5. Der Parfümeur Jacques Polge verwendete bei seiner Kreation 1986 aber nicht gewöhnlichen Lavendel, sondern eine ausgesuchte, seltene Art aus der Gegend von Montpellier und behandelte sie mit schonender Trockendestillation statt des herkömmlichen Verkochens in der Wasserdampfdestillation. Bei der Parfümherstellung hängt also viel von handwerklichem Können und Technik ab. Veredelt wird diese Lavendelessenz im Chanel No. 5 mit

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