Die Weltgeschichte der Pflanzen
aus Nahost) mit dem Roden von Wäldern, um Ackerflächen zu gewinnen. In Mitteleuropa dürfte es sich vorwiegend um lichte Laubwälder gehandelt haben. Um eine Sippe von 100 Menschen mit den damaligen Getreidearten und Feldfrüchten ernähren zu können, benötigte man etwa 35 Fußballfelder gerodete Freifläche.
Durch die Rodungen wurden die wirklich im Sinne ursprünglicher Natur vorherrschenden Eichenwälder im nordalpinen Europa von allenthalben nachwachsenden Buchenbeständen verdrängt. Buchenholz und Buchenholzkohle waren seit dem Beginn der Eisenzeit das begehrteste Brennholz. Als der römische Historiker Tacitus im ersten Jahrhundert n. Chr. die »schaurigen« Wälder Germaniens erstmals erwähnte, hatten die Buchenwälder vermutlich ihre größte Ausdehnung erreicht. Diese Buchenwälder waren seit vorrömischer Zeit zwar nicht bewusst angepflanzt, aber eben auch keine urtümliche Natur mehr, sondern Folge der Rodungen, also sogenannte Sekundärwälder; im Grunde bereits Kulturland. Die großflächige Landschaftsveränderung war damals auch in Germanien bereits weit fortgeschritten, sie sah nur etwas anders aus als in den inzwischen weitgehend waldfreien Gebieten des Mittelmeers. Das konnte Tacitus natürlich nicht wissen.
Dann wurde der Baum ein prominentes Opfer des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Waldraubbaus, da man gerade die Buchen wegen ihres sehr guten Brennwerts regelrecht verfeuerte. Inzwischen gab es nicht nur vereinzelte Eisen- und Bronzeschmelzöfen wie bei den Kelten und Germanen, sondern sehr viel mehr Erzschmelzen und vielerlei gewerbliche Verwendungen, von der Glasbläserei und der Töpferei bis zur Salzsiederei, die alle sehr hohe Temperaturen erzeugen mussten.
Die Buche ist der wirtschaftlich wichtigste Laubbaum nach Fichte und Kiefer, die zusammen 50 Prozent der wirtschaftlichen Waldnutzung ausmachen. Neben den industrieüblichen Holzverwendungen wie Spanplatten, Sperrholz und Zellulose (für Papier)sind Möbel und Parkett die wichtigsten Verwendungsarten für Buchenholz. Dazu zählen die vielen Holzgegenstände im Haushalt – vom Besenstiel über das Küchenbrett bis zur Nudelrolle und zum Spielzeug. Denn das dichte Buchenholz bildet keine Späne und Splitter. Allerdings reißt es leicht, wenn es trocknet. Buchen werden daher nach dem Fällen rasch gesägt. Qualitätvolles Holz für Möbel sollte langsam trocknen.
Der Thonet-Stuhl ist das bekannteste Buchenholzprodukt. Der aus Boppard am Rhein gebürtige Tischler Michael Thonet (1796-1871) ging nach ersten beruflichen Anfangserfolgen in seiner Heimat auf Anregung des damals schon älteren österreichischen Staatsmanns Klemens Wenzel Lothar von Metternich 1842 nach Wien. (Metternich stammte aus dem benachbarten Koblenz.) 1851 stellte Thonet seinen ein Jahr zuvor erfundenen »Stuhl Nr. 1« aus gebogenem Buchenholz bei der ersten Weltausstellung im Kristallpalast von London vor. Die Familienfirma wurde berühmt und wirtschaftlich sehr erfolgreich. Immer neue Prototypen wurden bis zur Serienreife weiterentwickelt, und Thonet gelang es, trotz Massenfertigung handwerkliche Prinzipien beizubehalten.
Thonet verhalf der seit Langem bekannten Holzbiegetechnik mit Dampf zum Durchbruch. Das ist kein einheitliches, einfaches Verfahren, und gerade bei Thonet wurde es immer wieder verändert und verbessert. Der Thonet-Klassiker wurde der »Stuhl Nr. 14« aus dem Jahr 1859, das Wiener Kaffeehausmöbel schlechthin. Weil bei Thonet das Buchenrundholz gebogen und nicht nach traditioneller Tischlerart gesägt und gehobelt wurde, wobei die sprichwörtlichen Späne fallen, war gerade die industrielle Herstellung sparsam im Umgang mit dem Material, formschön durch die Reduzierung auf das Wesentliche und eben auch vergleichsweise preiswert. Thonet-Möbel sind das Musterbeispiel einer qualitätvollen, handwerklich und ästhetisch anspruchsvollen Massenware im besten Sinne. Der weltweit mit über 100 Millionen Stück meistverkaufte Stuhl Nr. 14 wird bis heute produziert.
Die schnellen Bäume
Fichte
Fichte ist heute das wichtigste Nutzholz in Mitteleuropa, aber Fichtenwälder hat es noch bis vor circa 250 Jahren bei uns nicht gegeben. Viele Menschen akzeptieren diese Aussage nicht, aber es ist eine historische Tatsache. Sie akzeptieren auch die Vorstellung nicht, dass Mitteleuropa, insbesondere Deutschland, vor 300 Jahren weitgehend entwaldet war. Das änderte sich erst durch die Wiederaufforstung, die seit der Aufklärungszeit bis ins 19.
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