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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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ist die Rizinusstaude durchaus beliebt.
    Bereits die alten Ägypter wussten um die abführende Wirkung des Öls, auch wenn sie den chemischen Wirkmechanismus nicht kannten. Rizinolsäure, eine Fettsäure, wird erst im Dünndarm freigesetzt. Sie verhindert, dass der Körper Wasser und Natrium aus dem Darm aufnimmt, umgekehrt füllt sich der Darm mit Wasser – und ab geht die Post.
    Auch industriell wird Rizinusöl vielfach verwendet, nicht nur als Motorschmiermittel. Für den gemeinen Haushaltsschwamm ist es der Ausgangsstoff der Wahl. Der Haushaltsschwamm, ein anschaulich-handgriffiges Beispiel, besteht aus dem KunststoffPolyurethan. Das Rizinusöl ist der am besten geeignete »Rohstoff« für die Produktion. Man könnte auch Raps- oder Sonnenblumenöl nehmen, hat dann aber etwas mehr Herstellungsaufwand. Das Verfahren wurde Ende der Dreißigerjahre in einem Werk der damaligen I.G.  Farben in Leverkusen entwickelt. Seit 1940 werden solche Polyurethan-Kunststoffe industriell produziert.
    Polyurethan-Kunststoff (vulgo: Schaumstoff) oder -Kunstharz steckt auch in Matratzen, Sitzkissen, Autositzen, Montageschäumen, Armaturenbrettern, Fußbällen, Gummistiefeln, Dichtungen, Lacken und Klebstoffen. Polyurethane sind im Alltag ähnlich gegenwärtig wie das sprödere PVC (Polyvinylchlorid), das auf Erdöl beruht.
    Rizinusöl dient darüber hinaus auch als Grundlage für Cremes, Salben und Lippenstifte in der kosmetischen Industrie.
    Hauptanbauländer sind heute Indien mit 60 Prozent der Weltproduktion, China und Brasilien. Im Vergleich zu den großen Ölpflanzen hat Rizinus mit 600000 Tonnen nur einen sehr bescheidenen Anteil von 0,5 Prozent an der gesamten Weltproduktion. Doch wie alle nachwachsenden Rohstoffe gewinnt auch Rizinus an Bedeutung.

Tanz unter dem Maibaum
Birke
    Bereits die Neandertaler verwendeten Birkenpech als Klebstoff. Dieses teerartige Destillat der Birkenrinde ist somit der älteste Kunststoff der Menschheit – sofern man in Bezug auf die Neandertaler von Menschen sprechen will. Die ersten modernen Cro-Magnon-Menschen, welche die Höhlenbilder malten, nutzten es dann natürlich auch zur Herstellung von Werkzeugen. Sie befestigten damit scharfgeschliffene Steinspitzen an Speeren oder dichteten Holzbehälter ab.
    Gewonnen wurde das Birkenpech ähnlich wie Holzkohle durch Verschwelung, möglichst luftdichtes Verbrennen der harzhaltigen Birkenrinde. (Auch Kiefernharze dienten zur Pechgewinnung.) Das konnten Neandertaler und Cro-Magnon mit etwas Geschick in Feuerstellen bewerkstelligen. Birkenrinde wurde ansonsten bei sogenannten primitiven Völkern der Nordhalbkugel von Europa über Sibirien bis Nordamerika in vielfältiger Weise zur Herstellung von allen möglichen Behältern verwendet bis hin zum Bau von Kanus. Gebundene Birkenzweige ergeben ideale Besen.
    Die einzige andere technische Pflanzennutzung, die noch viel älter ist, ist die Verwendung von Holz als Brennholz und das Verdrillen von Pflanzenfasern oder Bast zu einfachem Garn oder Schnüren.
    Bei der Verpechung von Birkenrinde liegen die ältesten Datierungen bei 220000 Jahren (Fundstelle im Arno-Tal, östlich von Florenz). Auch auf mitteleuropäischem Boden gibt es einschlägige Fundplätze in Sachsen-Anhalt und im Rheinland mit einem Alter zwischen 120000 bis 80000 Jahren. Das waren natürlich alles noch Plätze von Neandertalern; Cro-Magnons kamen erst ab 40000 v. Chr. hier an, kannten sich aber auch schon mit dem Birkenpech aus. Vor diesem Hintergrund mutet es geradezu altmodisch an, dass selbstverständlich auch der Ötzi (circa 3300 v. Chr.) mit Birkenpech und Bast befestigte Pfeilspitzen bei sich trug.
    Laut Bibelbericht soll die Arche Noah ebenfalls mit Pech abgedichtet worden sein (nicht notwendig Birkenpech). Pech wurde zudem von den Ägyptern zum Mumifizieren verwendet.
    Die Birke ist eine Pionierpflanze wie die Kiefer, sie gehörte nach den Eiszeiten stets zu den ersten Bäumen, die die von den Gletschern frei gewordenen Flächen in Europa und Eurasien besiedelten. So verhält es sich auch bei Landschaftsveränderungen durch Waldbrände, Erdrutsche oder Vulkanausbrüche. Ihre leichten geflügelten Nüsschen, ihre Samen, die weit vom Winde verweht werden, tragen zur großen Verbreitung der Birke bei, die mit sehr kargen Böden auskommt. Erst in ihrem Schatten kommen viele andere Pflanzen hoch, etwa die Buche.
    Weil Birkenholz leicht ist und keine schweren Lasten trägt, verwendet man es nicht als Bauholz. Aber es ist leicht zu

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