Die Weltgeschichte der Pflanzen
jeweiligen Regierungen.
Anfang der Sechzigerjahre trat die indische Regierung an Borlaug heran. Zunächst versuchte man das mexikanische Modell mit dem Zwergweizen auf den Weizenanbau im nordindischen Punjab zu übertragen. Im Norden des indischen Subkontinents wird Weizen traditionell zu verschiedenen Arten von Fladenbrot verbacken. Chapati, Puri oder Nan, verschiedene Fladenbrotzubereitungen, die an Pizzateig oder Tortillas erinnern, zählen dort zu den Hauptnahrungsmitteln. Im krisengeschüttelten Indien, das Anfang und Mitte der Sechzigerjahre noch Millionen Tonnen Weizen und Reis in Notkäufen einführen musste, wurden Ende des Jahrzehnts Schulen geschlossen, um die Gebäude zur Lagerung der Überschüsse verwenden zu können. In der Folge konnte auch das benachbartePakistan seine Weizenproduktion mehr als verdoppeln. Seit 1974 war Indien Weizen-Selbstversorger.
Doch in Südindien wird vorwiegend Reis angebaut und gegessen. Vom Reis lebt im Übrigen die Hälfte der Weltbevölkerung. In Indien war der aus Tamil Nadu, Indiens südlichstem Bundesstaat, gebürtige M. S. Swaminathan (geboren 1925) der führende Kopf der Grünen Revolution. Während seiner Universitätsausbildung in den Niederlanden hatte er sich um 1950 überwiegend mit der Weiterzüchtung von Kartoffeln beschäftigt und war bereits an der Züchtung des Mexikoweizens beteiligt.
Auf Initiative von Swaminathan und wiederum mit Unterstützung der Rockefeller- und der Ford-Stiftung wurde nun versucht, das Erfolgsmuster des Weizens auf den Reis zu übertragen. Kleine Fortschritte waren bereits in den Fünfzigerjahren mit Kreuzungen zwischen kurzwüchsigen Indica- und Japonica-Reissorten erzielt worden. Die Rockefeller-Leute schickten Pflanzenjäger aus, bis man eine wirklich geeignete, kurzwüchsige Reispflanze aus Taiwan fand. Innerhalb von fünf Jahren (1965-1970) wurden diese Sorten von fast null auf einem Zehntel der gesamten Reisanbauflächen (160000 Quadratkilometer) eingesetzt. Unter teilweise dramatischen Umständen wurde die »Revolution« auch in den Philippinen und in Indonesien durchgesetzt. Die Philippinen wurden 1969 erstmals ein Reisexportland.
Die Grüne Revolution in Asien war kein Durchmarsch. Wie schon in Mexiko war der Weg von vielen Rückschlägen und Fehlentwicklungen gekennzeichnet. Es dauerte lange, bis man die am besten angepassten Sorten gefunden hatte, viele Reisbauern blieben anfangs lieber bei Niedrigertragssorten, die bei schwankendem Klima verlässlicher waren als die empfindlichen Hochertragssorten. Die Anbaumethoden, die Bewässerung, die Landaufteilung und die Finanzierung mussten verbessert werden, der Monsun spielte nicht mit, es wurden so viel Pestizide ausgebracht, dass Menschen starben. Die Begleiterscheinungen der Grünen Revolution sindsehr umstritten: Pestizideinsatz, extreme Sortenverarmung, Abhängigkeit der (Klein-)Bauern von den Agrokonzernen für Saatgut, Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel, soziale Verwerfungen.
Borlaug, der Fehler durchaus zugab, hält dem entgegen, dass die Hochleistungssorten auf vorhandenen Anbauflächen Erträge erzielen, die ansonsten nur um den Preis gigantischer Rodungen möglich gewesen wären.
Noch Mitte der Sechzigerjahre hatte man es nicht für möglich gehalten, dass Indien jemals Selbstversorger sein könnte. Vor allem in schlechten Erntejahren schienen Hungerkatastrophen dort ein unausweichliches Schicksal zu sein. Heute kann in Asien eine rasant gestiegene Bevölkerung ausreichend und zu vergleichsweise günstigen Preisen für Grundnahrungsmittel ernährt werden, die ohne die Hochertragssorten nicht möglich wären. Die Bemühungen um Hochertragssorten betrafen und betreffen nicht nur Reis und Weizen, sondern auch Bohnen, Hirse, Maniok und konzentrieren sich inzwischen auch auf Afrika, wo die Ernährungssituation teilweise immer noch sehr prekär ist. Sehr viele Aufgaben und Intentionen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in der Dritten Welt hat heute übrigens die Bill & Melinda Gates Foundation übernommen.
Ein japanisches Reisprodukt ist Reiswein. Die in europäischen Sprachen geläufige Bezeichnung Reis wein ist dabei etwas irreführend. Denn Sake wird aus einem Getreide hergestellt und nicht aus Trauben gekeltert. Es handelt sich also im Prinzip um ein Brauereiprodukt wie Bier. Wie beim Bierbrauen muss der Zucker vor der Gärung durch Mälzen erschlossen werden. Der Alkoholgehalt wiederum ist etwas höherprozentig als beim Wein und auch der Geschmack
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