Die Weltgeschichte der Pflanzen
der Göttin Iduna gehütet. Ihr Genuss verlieh den Göttern ewige Jugend und Unsterblichkeit. Spannend wurde es stets, wenn diese Äpfel entwendet wurden. Das muss natürlich sein, sonst wäre es keine interessante Erzählung.Waren die Äpfel weg, ging es den Göttern schlagartig schlecht, und sie zahlten jeden Preis, um sie wiederzubekommen. So übrigens auch in Richard Wagners Rheingold , der sich eng an diese Erzählvorlage anlehnte.
In der biblischen Geschichte vom Paradies ist zwar nur davon die Rede, dass Gott dem ersten Menschenpaar verboten habe, die »Frucht« vom Baum der Erkenntnis zu essen. Meistens ist diese »Frucht« als Apfel gedeutet worden. Das hat auch damit zu tun, dass die Menschen in Antike und Mittelalter noch keine exakten begrifflichen Unterscheidungen in der Botanik kannten und alle möglichen Früchte als »Äpfel« bezeichneten. Bekannte Beispiele sind: Erdäpfel (süddeutsch und österreichisch für »Kartoffeln«), Paradeiser (»Paradiesapfel«, österreichisch für »Tomate«), persischer Apfel (lateinisch Malum Persicum für »Pfirsich«), Melone ( melon coton, was so viel heißt wie von der Sonne »gekochter«, reifer »Apfel«) sowie der Granatapfel ( Punica ), der zwar auch die runde Form eines Apfels aufweist, aber zu einer ganz anderen – tropischen – Pflanzenfamilie gehört. Wenn in der nahöstlichen Welt der Antike von »Apfel« die Rede ist, dann ist fast immer der Granatapfel gemeint, der in der Tat in den alten Kulturen eine sehr symbolbeladene Frucht ist.
Vorbild für den Reichsapfel war ebenfalls der Granatapfel. Die unscheinbaren Wild- oder Holzäpfel jener Zeit, von denen unsere Äpfel abstammen, hätten bestimmt nicht als Symbolfrucht getaugt. Und Äpfel als Tafelobst kamen sowieso erst spät im Mittelalter auf.
Der Granatapfel galt im alten Orient als Symbol für Fruchtbarkeit und Macht. Als Herrscherinsignie symbolisiert der zum Reichsapfel gewordene Granatapfel keine botanische Art, sondern den Globus. Die mittelalterliche Reichsidee orientierte sich am Römischen Reich, das man als universell auffasste: Dieses Weltreich umspannte nach damaliger Vorstellung die gesamte (bekannte) Welt. Ergo war es »global«. Solche Globaläpfel tauchen schon bei der Darstellung römischer und byzantinischer Kaiser auf. DenAnspruch erhoben daraufhin auch die mittelalterlichen Kaiser und Könige als Weltenherrscher und als christliche Herrscher dann in Verbindung mit dem Kreuz.
Das legendäre, in den christlichen Kulturen tief verinnerlichte Bild von der angeblichen Paradiesfrucht Apfel verleitet zu der Vorstellung, die Menschen hätten schon in grauester Vorzeit, als Jäger und Sammler, mühelos Äpfel von den Bäumen gepflückt. Die sauren Apfelbaumfrüchte waren als essbares Obst aber noch lange ungenießbar. Man hat sie allenfalls zu einer Art Apfelwein gekeltert.
Im Vorderen Orient und in Griechenland fingen Obstbauern erst zur Zeit Alexanders des Großen an, den Apfelbaum zu kultivieren, also verhältnismäßig spät. Da waren Feige, Dattel, Olive, Weinbeere, die für den Mittelmeerraum typischen Früchte – schon seit Jahrtausenden domestizierte und systematisch angebaute Nutzpflanzen. Erst in Alexanders Zeit wandte man die gärtnerischen Kenntnisse des Veredelns oder Pfropfens auch auf den Apfelbaum an.
Diese Pflanzenvermehrungsmethode besteht im Prinzip darin, einen Teil einer Pflanze, das Reis, auf den an- oder abgeschnittenen Teil einer anderen Pflanze (»Unterlage«) zu stecken und beide eng zu verbinden. Sie wachsen mit der Zeit zusammen, und die Früchte erhalten die Eigenschaften des angesteckten Reisers. So lassen sich Pflanzen mit gewünschten Eigenschaften (größere Frucht, größere Erträge, bessere Resistenz gegen Kälte oder Schädlinge) »vegetativ« vermehren. Es entstehen einfache Klone des Reisigs und eng verwandte neue Sorten.
Die in Europa einheimische Wildform eines Apfels ist der Holzapfel, den man äußerlich vom Kulturapfel nur schwer unterscheiden kann. Er ist als Obst kaum genießbar. Dazu sind die Holzäpfel zu klein, zu hart und zu sauer. Man hätte sich an ihnen leicht die Zähne ausgebissen. Sie mussten gekocht werden. So machten es schon die Ackerbauern in den Pfahlbauten (um 3000 v. Chr.), also die Zeitgenossen von Ötzi. Auch die Germanen und Kelten verfuhren so, verkochten Äpfel zu Mus oder kelterten sie zu einer Art Apfelwein; das war neben allerlei Formen von »Bier« ihr gängigstes Trinkwasser.
Doch der Holzapfel spielt als
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