Die Weltgeschichte der Pflanzen
Zeugungskraft und sinnlicher Liebe. Daher ist der Granatapfel selbstverständlich auch ein Attribut der einschlägigen Göttinnen von der babylonischen Ischtar bis zur römischen Venus und im christlichen Sinn der Nächstenliebe auch von Maria. Die zahlreichen Kerne deuten nicht nur auf zahlreiche Nachkommenschaft, sondern auch auf Reichtum – immer eine Grundlage von Macht. »Alles in einem«, in diesem vergeistigten Sinn war der Granatapfel im Judentum ein Gottessymbol; nur er durfte ins Allerheiligste gebracht werden. Jüdische Priestergewänder waren mit Granatapfelornamenten geschmückt. Von den alten Persern bis ins europäische Mittelalter findet sich das Granatapfelmuster in der Webkunst.
Lukullische Früchte
Aprikose
Die Pflanzensystematiker der Aufklärungszeit vermuteten einer antiken Überlieferung zufolge die Heimat der Aprikose in Armenien; daher lautet der botanische Name des Steinobstes Prunus armeniaca . Dort jedenfalls lernten die Römer die »armenische Pflaume« kennen und verbreiteten sie, wie viele andere Früchte, vom Südkaukasus bis ins Mittelmeergebiet. Womöglich brachte der römische Konsul und Feldherr Lukullus (117-56 v. Chr.), der Namensgeber aller lukullischen Genüsse, die Aprikose zusammen mit der Kirsche nach Rom. Er nannte die Frucht Malum armeniacum, »armenischer Apfel«.
Lukullus hatte das antike armenische Königreich, wo ein Aufstand gegen die drückenden römischen Steuern tobte, für Rom erobert. Aber der neuen Frucht gab er nicht den ursprünglichen armenischen Namen tsiran , obwohl das nahegelegen hätte: Tausend Jahre zuvor hatten die Griechen stets die Namen bis dahin unbekannter Pflanzen als Fremdwörter in ihre Sprache übernommen, weshalb sehr viele uralte Pflanzennamen erhalten geblieben sind, von denen wir manche heute noch gebrauchen.
In Armenien war die Aprikose als Kulturpflanze zur Römerzeit schon seit mindestens 3000 Jahren heimisch, das besagen archäologische Aprikosenkernfunde. Dennoch halten moderne Botaniker das kleinasiatische Gebiet nicht für ihre Heimat, sondern vermuten diese in Fernost, Indien oder China.
Auch das deutsche Wort »Aprikose« stammt aus dem Lateinischen, jedoch nicht vom Wort für »armenisch«. Die Römer nannten die Aprikose nicht nur Malum armeniacum, sondern auch Persica p raecocia , »frühreifer Pfirsich«, oder kurz praecocia, »die Frühreifen«, weil sie als Erste im Frühling blüht. Über Wortformen im mittelalterlichen Griechisch wie praikókkion und brekókkia wanderte das Wort zunächst ins Arabische ( al-barquq ). Erst diese Form übernahmen das Spanische ( albaricoque) und das Französische ( apricot) und im 17. Jahrhundert dann auch das Deutsche. Zu jener Zeit kam auch der Aprikosenbaum in Deutschland an.
Die lukullische Bezeichnung Malum armeniacum indes hat sich im österreichischen Aprikosenwort »Marille« erhalten.
Das größte und beste Anbaugebiet für Marillen entstand in Ungarn während der türkischen Herrschaft. Außer den Mittelmeerländern ist die österreichische Wachau ein bevorzugtes Anbaugebiet. Dort gibt es ungefähr 150000 Marillenbäume, die besonders aromatische Früchte liefern. »Wachauer Marille« ist ein geschützter Markenbegriff. Wie aus vielen anderen Früchten werden aus Aprikosen und Marillen geschätzte Obstschnäpse gebrannt. Zum lukullischen Hochgenuss wird die Aprikose in Form von Aprikosenmarmelade als wichtige Zutat der Wiener Sachertorte.
Kirsche
Verbürgt ist, dass Lukullus auch die Kirsche vom Schwarzen Meer nach Italien brachte. Eine halbe Generation älter als Julius Cäsar, war dieser Lukullus auf seinem kleinasiatischen Polizei- und Eroberungsfeldzug in der heutigen Türkei in dem Schwarzmeerkönigreich Pontus vorbeigekommen. Dort lernte er in der Stadt Kerasous (heute Giresun) die Kirschen kennen. Ob diese nach diesem Ort oder der Ort nach den Kirschen benannt ist, bleibt ungeklärt. Die botanische Herkunft lässt sich natürlich nicht auf eine bestimmte Stadt festlegen, aber die Kirsche stammt aus dieser gemäßigten Zone im Grenzbereich von Südosteuropa und Südwestasien.
Anders als bei der Aprikose breitete sich der Kirschanbau durchdie Römer sehr schnell auch nördlich der Alpen aus, bis nach Britannien. Aus dem spätlateinischen ceresia entstanden schon sehr früh die althochdeutschen Wortformen kirse oder kerse , aus denen später »Kirsche« hervorging. Eine im 16. Jahrhundert in Südwestfrankreich entstandene Züchtung ist die Schattenmorelle, benannt
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