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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Neben vielen anderen neuen Pflanzen nahm er sie mit nach Europa.
    Schon in der Neuen Welt waren die ersten Europäer vom Anblick, Geschmack und von der verdauungsfördernden Wirkung des Bromeliengewächses begeistert. (Bromelain unterstützt die Eiweißverdauung, also die Verdauung von Fleisch.) Zunächst sah man in Europa in der Ananas aber in erster Linie eine exotische Zierpflanze, deren eindrucksvoller Fruchtkörper als prächtiger »natürlicher« Tafelaufsatz an den Fürstenhöfen Eindruck machte. Ananasfrüchte krönten dank der portugiesischen Seefahrtskünste 1590 sogar die Tafel des Mogulkaisers Akbar in Indien. Das Kolonialzeitalterbrachte eine zuvor nie gekannte schnelle und weltweite Verbreitung von Pflanzen in alle Himmelsrichtungen mit sich.
    Der nächste Europäer, dem Ananasfrüchte besonders auffielen, war Sir Walter Raleigh. Der ehemalige Vertraute der Königin Elisabeth I . war am englischen Hof in Ungnade gefallen und versuchte 1595 sein Glück mit einer Südamerika-Expedition. Dabei fuhr er auf der Suche nach Eldorado 300 Kilometer den Orinoko (heute Venezuela) hinauf, den zweitgrößten Strom Südamerikas, und vermerkte in seinem Reisebericht, dass er regelrechte indianische Ananasplantagen gesehen habe. Vor allem in dieser Gegend rund um den Orinoko liegt wohl der Ursprung der heute wichtigsten Handelssorte Cayenne. Sie ließ sich problemlos in alle Teile der tropischen Welt verpflanzen.
    Ananas sind die wichtigste Nutzpflanze dieser Pflanzenfamilie unter den Bromeliengewächsen. Von der Ananas abgesehen, gelangten Bromelien erst relativ spät, seit etwa 1780, in den europäischen Gesichtskreis, und dann hauptsächlich als Zierpflanzen. Ursprünglich gab es sie nur in Südamerika.
    Botanisch korrekt ist Ananas ( Ananas comosus ) ein Fruchtverband aus Beeren. Hinter jedem einzelnen vieleckigen Deckblättchen verbirgt sich eine individuelle Frucht, eine Beere, die bei Wildarten einzeln bestäubt wurde – von kleinen Insekten und Kolibris. Die Deckblättchen der Rinde sind der oberste Teil des Fruchtknotens, bestehend aus Kelch- und Blütenblättern, wobei die einzelnen Früchte trotz Verwachsung immer erkennbar bleiben. Das ist einzigartig, auch unter den Bromelien. Bei den heutigen großen Zucht-Ananas sind 100 bis 200 Beeren um eine Achse nach der mathematischen Fibonacci-Reihe spiralförmig in acht bis zwölf Reihen angeordnet. Das Gittermuster entspricht der Maßzahl des Goldenen Schnitts.
    Die englische Bezeichnung pineapple, die sich in Varianten auch in anderen Sprachen findet, leitet sich von der oberflächlichen Ähnlichkeit mit einem Pinien- oder Tannenzapfen ab. Auch im Spanischen heißt Ananas piña ; daher Piña Colada , die Bezeichnung für einen Cocktail aus Rum, Kokosnusscreme und Ananassaft.
    Dass Ananasfrüchte sich so relativ leicht transportieren lassen, hat auch ihre weltweite Verbreitung gefördert. Im Jahr 1819 gelang es dem französischen Botaniker Samuel Perrottet fünf lebende Pflanzen aus Cayenne nach Frankreich zu bringen. Das Publikum strömte in die Gewächshäuser des Jardin des Plantes in Paris und bestaunte die Sensation. Rasch wurden die Früchte vermehrt und auf die Orangerien anderer europäischer Herrscherhäuser verteilt – ein fürstliches Geschenk. Das Kultivieren in Treibhäusern war allerdings ein teurer Spaß, da die Tropenpflanze sehr viel Wärme, um 25 Grad, benötigt. Diese in den Glashäusern der gemäßigten Zonen zu erzeugen, kostete viel Geld.
    Später im 19. Jahrhundert begann man mit dem Ananasanbau auf den dafür klimatisch günstigen »europäischen« Azoren- und Kanareninseln. Zur selben Zeit kamen Früchte aus der Karibik in die USA , zunächst nach Florida, nach Australien und 1886 nach Hawaii. Obwohl nicht überall die gleichen klimatischen und ökologischen Bedingungen herrschen wie in Venezuela, einige Breitengrade nördlich des Äquators, haben sich die Ananaspflanzen bestens vermehren lassen – ein bemerkenswerter Züchtungserfolg der Amazonas-Indianer in grauer vorkolumbianischer Zeit.
    Der Ananas-Konsum in der westlichen Welt ist nur gut hundert Jahre alt. In dieser verhältnismäßig kurzen Zeit ist die Ananas zu einer der ersten tropischen Pflanzen für den Massenkonsum in den westlichen Wohlstandsgesellschaften geworden. Unter den tropischen Früchten liegt die Ananas nach Banane und Orange als Welthandelsgut an dritter Stelle.
    Das »nordamerikanische« Hauptanbaugebiet, einstmals weltweit führend, lag um 1900 in Hawaii.

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