Die Weltgeschichte der Pflanzen
ganz ähnlich wie bei Kohlrabi, Radieschen und Roter Rübe. Bei Karotte, Zuckerrübe, Rettich und Sellerie hingegen geht die Verdickung des Speicherorgans von der Wurzel aus; sie sind also echte Wurzeln.
Zunächst importierten die Europäer die Kartoffel aus der Neuen Welt, dann verbreiteten sie diese im Zuge ihres kolonialen Ausgreifens über die ganze Welt. Die muslimischen Länder haben die Kartoffel nicht angenommen. Sie gilt dort als »unrein«, weil sie nicht als Paradiespflanze im Alten Testament erwähnt wird, das auch für den Islam seine Bedeutung hat. Weniger Bedenken hatten die Chinesen, die bereits durch portugiesische Missionare, welche im 16. Jahrhundert sehr gute Beziehungen zum Kaiserhof pflegten, mit der Erdknolle bekannt wurden.
Größtes Anbauland ist heute in der Tat China, das doppelt so viel produziert wie Russland, dann folgen Indien, Ukraine, die USA , Deutschland und Polen.
Nach Nordamerika wurde die Kartoffel von den angelsächsischen Siedlern quasi reimportiert; sie gelangte also nicht irgendwann vorher direkt aus ihrer südamerikanischen Heimat in den Norden des Kontinents. Eine wichtige Sorte ist dort die Ende des 19. Jahrhunderts von Luther Burbank gezüchtete, besonders große Idaho-Kartoffel, die man heute aus Steakhäusern kennt. Burbank (1849-1926) war schon zu Lebzeiten eine Legende, ein sehr erfolgreicher und populärer Pflanzenzüchter. 1875 bezahlte er von dem Verkauf seiner Rechte an dieser Kartoffel (150 Dollar) einen Umzug nach Kalifornien, wo er eine Baumschule gründete. Er wurde geradezu zum Schöpfer Hunderter neuer Pflanzenvarietäten, besonders von Früchten.
Nach dreizehnjährigem Genehmigungsverfahren wurde 2010 in der EU die Amflora, eine auf die europäischen Verhältnisse zugeschnittene Genkartoffel der BASF zugelassen. Sie sollte als nachwachsender Rohstoff für die Gewinnung von Kartoffelstärke für die Industrie angebaut werden, nicht als Speisepflanze.
Anfang 2012 zieht der Konzern seine gesamten »Plant-Science«-Aktivitäten aus Deutschland ab, löst die hiesigen Forschungszentren auf und verlagert sie auf Standorte in den USA , vor allem in North Carolina. Zwar handelt es sich bei der Pflanzengentechnologie nach Ansicht des Konzerns um eine Schlüsseltechnik des 21. Jahrhunderts, jedoch erscheint die Akzeptanz dafür in Europa und insbesondere in Deutschland viel zu gering.
Aktuell werden rund zehn Prozent der gesamten Weltagrarfläche bereits mit gentechnisch veränderten Pflanzen bestellt, und es werden 30 Millionen Tonnen Genpflanzen in Form von Futtermitteln in die EU importiert. Das sind 60 Kilogramm gentechnisch veränderte Futtermittel pro Kopf der EU -Bürger. Wie bei vielen anderen Nutzpflanzen ist die Züchtungsgeschichte der Kartoffel, die vor Jahrtausenden in den Anden begann, also noch keineswegs beendet. Die Gentechnik eröffnet dafür ungeahnte Möglichkeiten – samt bislang nicht abschätzbarer Risiken.
Die Fratze des Teufels
Kürbis
Die weltberühmte Villa Farnesina im römischen Stadtteil Trastevere nahe am Tiber bietet optische Delikatessen in Hülle und Fülle. Der Bauherr, der Bankier Agostino Chigi, ließ die Gartenloggien von Raffael und seiner Werkstatt mit Fresken ausmalen, die von prachtvollen Blumen- und Pflanzengirlanden umrahmt sind. Diese Girlanden wurden von 1515 bis 1518 von Giovanni da Udine geschaffen und zeigen unter anderem die neuesten Fruchtimporte aus der Neuen Welt. Man sieht hier nicht nur die erste Abbildung von Mais in Europa, sondern auch zum ersten Mal die amerikanischen Riesenkürbisse. All das hatte Kolumbus von seiner zweiten Reise 1496 mitgebracht. Kürbisse werden hier auch bereits in großer Artenvielfalt präsentiert. Der Wandschmuck der Chigi-Villa war also seinerzeit in botanischer Hinsicht vollkommen up to date.
Die Europäer lernten den Kürbis wie die meisten Pflanzen aus der Neuen Welt in der Karibik kennen. Kürbisse waren von den Indianern Südamerikas durch Jahrtausende zu einem Nahrungsmittel mit großer Sortenvielfalt kultiviert worden. Allerneueste molekulargenetische Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass die Gattung der Kürbisgewächse schon vor dem Desaster der Kreidezeit, welches durch das Dinosauriersterben vor etwa 65 Millionen Jahren bekannt ist, in Asien entstand. Vom asiatischen Kontinent gelangten Kürbisse nach Afrika und von dort vor etwa 30 Millionen Jahren – schwimmend! – nach Südamerika. Das war möglich, weil der Atlantik damals noch recht schmal war und
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