Die Weltgeschichte der Pflanzen
niederländischer Barockgärten neu gestaltet, in dem die hübsch blühende blaue Kartoffel blume neben der Tomate zu den exotischen Zierpflanzen zählte. Der Lustgarten erstreckte sich damals über den gesamten westlichen Teil der Spreeinsel; die Museen (und der Dom) auf der Museumsinsel wurden erst im 19. Jahrhundert oder noch später erbaut.
Der Weg von der Zier- zur Nahrungspflanze war für die Kartoffel auch deswegen nicht so einfach, weil alle ihre grünen Teile, vor allem bei den damals gängigen Sorten, ungenießbar sind oder sogar Vergiftungserscheinungen hervorrufen, verursacht durch das Alkaloid Solanin. Man konnte nicht einmal Pferde mit dem Kraut füttern, ohne dass ihnen schlecht wurde. Solanum tuberosum lautet der botanische Name der Kartoffel; Solanum heißen auch viele andere Nachtschattengewächse, wie etwa die Tomate.
Der Geschmack der damaligen Kartoffelsorten kann nicht besonders angenehm gewesen sein kann – bitter und »kratzig« – sofern sie überhaupt ein Mensch je in den Mund nahm. Nach den damals gängigen naturhierarchischen Vorstellungen standen Wurzeln und Knollen, die in der dunklen Erde wuchsen, ohnehin auf der untersten Stufe der für den Menschen geeigneten Nahrungskette. Außerdem gab es religiöse Vorurteile: Die Kartoffel wird in der Bibel nicht erwähnt. Vielleicht wuchs sie nicht im Paradies. Daraus zog man die Schlussfolgerung: Sie kann nicht gottgefällig sein. Vielen galt sie als Heidennahrung, allenfalls als Viehfutter, vor allem für die Schweine. Im Aberglauben hieß es, die Kartoffel sei aus Teufelsspucke entstanden und verursache Krankheiten. Man hatte bei der Berührung des Krautes mit der Haut einen Hautausschlag bemerkt.
Daher verwundert es nicht, dass sich die brandenburgischen Bauern dem Kartoffelanbau verweigerten, und dieser schon 1720 vom Soldatenkönig nach einer Getreidemissernte eigens angeordnet werden musste. (Übrigens ließ dessen Regierung bei der Gelegenheit noch eine andere Neue-Welt-Pflanze anbauen, die man zudem schön besteuern konnte: Tabak.)
Vor diesem Hintergrund muss man sich nicht über die Widerspenstigkeiten wundern, denen sich insbesondere Friedrich der Große gegenübersah, als er sich seit 1750 in wiederholten regierungsamtlichen Anordnungen darum bemühte, die »Anpflantzung des Erd Gewächses in Unsern Provintzien« zu fördern. Die bekannte Anekdote von den durch Soldaten bewachten Kartoffelfeldern zeigt die ganze Ambivalenz dieser Bemühungen: Die Felder wurden bewacht, damit die Bauern die Kartoffeln entweder nachts nicht ausgruben, oder sie wurden nur zum Schein bewacht, damit sie glaubten, die Früchte seien wertvoll, um sie dadurch vom »Wert« des Kartoffelanbaus zu überzeugen. Aus vielen »Instructionen« bis in die Siebzigerjahre des 18. Jahrhunderts hinein, die auch praktische Anleitungen und Ratschläge enthielten, wird jedenfalls deutlich, dass der Kartoffelanbau nur durch mehr oder weniger strenge staatliche Zwangsmaßnahmen durchzusetzen war.
Auf ganz ähnliche Weise wurde übrigens gleichzeitig im Österreich Maria Theresias und in Frankreich vorgegangen. Nirgendwo ging der Kartoffelanbau ohne staatliche »Fördermaßnahmen« voran. Die Bauern akzeptierten die Kartoffel erst, als sie erkannten,dass sie dadurch unabhängiger von Getreidemissernten wurden. Zumal Kartoffeln zum Verzehr nur gekocht werden müssen. Der Aufwand ist ungleich geringer als beim Korn, das gedroschen, gemahlen, geknetet und gebacken werden muss. So wurde die Kartoffel im 19. Jahrhundert der rapide anwachsenden Städte mit ihrem großen Arbeiterproletariat als »wohlfeile« Kost zunehmend zum Grundnahrungsmittel ärmerer Schichten – und zwar morgens, mittags und abends.
In Irland kam es im 19. Jahrhundert zu einer Kartoffelkatastrophe, unter der Millionen von Menschen zu leiden hatten. Eine Million Iren starb. Die Auswirkungen hatten historische Dimension.
Anders als auf dem Kontinent hatten die irischen Bauern schon viel früher mit dem systematischen Kartoffelanbau begonnen. Seitdem sich der Tudor-König Heinrich VIII . 1541 selbst zum König von Irland erklärt hatte, war die grüne Insel faktisch die erste englische Kolonie und wurde jahrhundertelang von den Engländern mit aller Härte ausgebeutet. In Irland war der Getreideanbau immer schwierig, und die geringen Erträge mussten die Iren zudem nun nach England exportieren. Zur eigenen Ernährung setzten sie daher schon früher als alle anderen Europäer auf die Kartoffel, die
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